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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Secker, Hans Friedrich: Alfred Heinrich Pellegrini
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https://doi.org/10.11588/diglit.14161#0438

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Selbstbildnis des Frankfurter Museums (gemalt
1921) ausschaut, hat er dieses Ziel weiter ver-
folgt.

Auch die Fassadenbemalung der Basler Börse
von 1923 ist ein Fortschritt, obwohl da der Ein-
druck leidet unter dem einstweiligen Mangel an
Patina, die Pellegrini vorausberechnend in die
künftige Wirkung seiner starken Farben einbe-
zog. Wie würden andere sich quälen mit einer
so unmöglichen, von vier großen Fenstern zer-
schnittenen Außenwand! Find wie zwanglos, un-
gekünstelt, selbstverständlich steht dieses Ergeb-
nis vor unseren Augen; und wie neu! (Abb.
S.388). Brot undKohle sind versinnbildet in ein
paar Schnitterinnen und Grubenarbeitern; Mer-
kur schwebt weltumspannend in der Mitte. Und
schmälste Sei tenstreifen genügen, die großenFor-
men eines Seglers und eines Dampfschiffriesen
anzubringen. — In dieser Stadt hat einmal Hol-
bein in spielerischem Naturalismus Fassaden de-
koriert, ganz nahe bei der neuen Börse. Nun
kommt ein Halbromane und redet deutsch und
vollendet, was Hans v. Marees gelehrt und er-
sehnthat Die Kunstgeschichte des 20. Jahrhun-
derts wird hier respektvoll hallmachen müssen.
Find neben diesen monumentalen Werken, zu
denen besonders auch ein ausgemalter Speise-
saal im kunstsinnigen Hause des Basler Konsuls
Schwarz — von Spreckelsen gehört, sind viele
liebenswürdige kleine Dinge entstanden, duftige
Blumenstilleben von feinster Empfindung und
Landschaftsbilder (Abb. S. 390), die Pellegrini
auf seinen Reisen nach Skandinavien und hin-
unter bis Sizilien schuf. Da kommt der Natur-
freund und der Mensch von weitestem Blick zu
Worte, stets die Eigenart eines jeden neuen Ge-
genstandes erfassend, ohne beim Unwesentlichen
ungebührlich zu verweilen. Das Auge, das sich
so entschieden auf die große Wand eingestellt
hat, bedarf der Erholung; es sieht sich satt an
dem winzigen Kosmos blühender Blumen und
Gräser und berauscht sich an der kurzen Glut

der Sonne oder dem Flug der Wolken über einer
Landschaft. Aber jede dieser schönen Impres-
sionen ist nur ein Atemholen vor den großen
Werken.

Gerade in den letzten Monaten hat Pellegrini
ein neues fertiggestellt: ein Fresko im Basler
Slrafgerichtssaal, das er ebenso wie die Börse
als Sieger im Wettbewerb des Staatlichen Kunst-
kredits in Auftrag bekam (Abb. S. 391). Die ganze
Breite der Kopfwand stand dem Künstler zur
\ erfügung, nur in der Mitte vomTürsturz unter-
brochen. Dem Halbrund des untenstehenden
Richtertisches setzt Pellegrini ein Halbrund der
Komposition entgegen, die Bewegung im Saal
gleichsam aufgreifend und parierend. Für die
Stimmung der Landschaft wählt er das kalte
Kleid des W inters, um den reuigen Sünder, der
rechts auf dem Baumstamm sitzt, in seiner gan-
zen Erbärmlichkeit und ^ erlassenheit zu kenn-
zeichnen. Da naht von links die allegorische Er-
scheinung des Trösters mit der edlen Geste des
Verstehenden und Verzeihenden. Und als bin-
dendes Glied, das Kommen des Trösters kün-
dend, springt ein Hund zu dem einsamen Mann
empor. — Der Geist des Bildes ist ergreifend
und groß. Vor dieser Wand sollen in Zukunft
Menschen abgeurteilt werden, die sich vom rech-
ten Weg verlaufen hatten. Den Eindruck dieses
Bildes werden sie mit in ihre Zelle nehmen. Nicht
nur als Maler, auch als Mensch hat Pellegrini
sich bewährt.

Die Schweizer haben dem Künstler zwar wie-
derholt Verständnis bewiesen, indem sie ihm das
seltene Glück gönnten, großeWände zu bemalen.
Doch eines Tages wird auch Basel zu eng wer-
den für Pellegrini. Denn sein W erk gehört der
Welt

Es sollte wieder werden wie im Mittelalter, da
man Meister von Ort zu Ort berief, wo eben
große Aufgaben erwuchsen. Wandmalerei von
dieser monumentalenGattung hat Ewigkeitswert
und kennt keine nationale Grenze. Hans F. Secker

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