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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Bredt, Ernst Wilhelm: Zu Naagers Zeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14161#0224

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FRANZ NAAGER DAS SCHIFF

ZU NAAGERS ZEICHNUNGEN

Die Zeichnungen, die wir hier veröffent-
lichen— man möchte sie Capriccios oder
Venetian er Atelierszenen nennen — sind so ganz
vom elementaren Wesen Naagers erfüllt, daß
es mir angebracht erscheint, einmal nur über
dieses Wesen einiges zu sagen und alles andere,
was sonst über das reiche Schaffen dieses Malers,
Bildhauers, Kunstgewerblers, Dekorateurs,
Fabrikherrn, Tapeteneriinders, Architekten,
Holzschneiders, Radierers, Kenners, Sammlers,
Schriftstellers, Genießers und Schwärmers zu
erinnern wäre, beiseite zu lassen, wenn es nicht
gerade in Zusammenhang mit diesen Zeich-
nungen erwähnt werden muß.
Wer Naager kennt, wer jene große Ausstellung
gesehen, die mir im Sommer 1923 (bei lleine-
mann in München) ein künstlerisches Ereignis
wurde, weiß, daß manches, was er hier in großen
Blättern uns vorlegt, damals in farbigen Gemäl-
den zu sehen war: Landschaften, Straßen und
Kanäle Venedigs, Prozessionen und Bettler, Dir-
nen und Heilige in fabelhaft großen Räumen und
vor allem Maler beim Malen nach weiblichen
Modellen.

.Lebhaft erinnern die Zeichnungen an den Ge-
nuß jener Ausstellung, die wie eine einzige un-
widerstehliche Versuchung des farbigen, leicht-

sinnigen, lustigen Venedigs eines Guardi oder
Magnasco wirkte, in dem jeder,obarm oder reich,
ein Künstler in immer anderer Art gewesen zu
sein scheint, das Leben zu genießen.
Und damit sind wir mitten drin in der eigent-
lichen Welt unseres Franz Naager, in der Welt,
der Seele, dem Rausch, den er uns mitteilt.
Denn es malen auch andere sehr Almliches und
wir haben Zeichnungen und Gemälde genug von
„Malern im Atelier", von Raufereien, von Stra-
ßenszenen usw. Und doch sehen alle diese Bil-
der ganz anders aus als die Blätter Naagers. Die
Fülle der Bilderthemen, auch die Wahl der The-
men, macht noch nicht den Naager aus, der ein-
zig ist. Und die großartig-sichere Manier, das
Virtuose und Sparsame seinerMalerei und Zeich-
nung ist auch nur ein Teil, wenn auch ein wich-
tiger seiner persönlichst erhaltenen Gabe, seines
persönlich erworbenen Könnens. Also nicht das
Wie und nicht das Was entscheidet hier, nicht
das unverkennbar sichtbare, sondern das ganz
eigene innere Leben, das Blut, das hier fühlbar
wird, gibt Naager die einzigartige Stellung unter
seinesgleichen. Denn wie er seine Maler und Mo-
delle und Dirnen und Bengels und all diese selbst-
bewußten überlegenen Gestalten der Straßen
und Ateliers und Spelunken und Paläste gibt,

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