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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Simon, Karl: Die Stellung des Porträts um 1800, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14161#0355

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JAKOB GENSLER DER ALTE WEIDENBAUM

Hamburg. Kunsthalle

DIE STELLUNG DES PORTRÄTS UM 1800

Seitdem die abendländische Menschheit zum Be- zu hören, der das Porträt „die elendeste aller
wußtsein ihrer selbst erwacht ist, hat das Porträt Kunstgattungen"nannte.,,Es bleibt ihm (Böcklin)
immer als hervorragende Aufgabe der Kunst, in- zu viel Gegebenes und das langweilt ihn . . Dem
Sonderheit der Malerei gegolten. Der erste Theo- Künstler bleibt nichts zu erzählen, nichts eigenes
retiker der Benaissance, L. B. Alberti, äußert sich hinzuzutun, womit er zu der Seele des Beschauers
sofort auch über das Bildnis: „die Malerei vermöge sprechen, ihn packen könnte." Wenn dann un-
nicht nur, wie man von der Freundschaft sagt, ab- gefähr zu gleicher Zeit ein Nachfahr des Klassi-
wesende Menschen gegenwärtig, sondern auch die zismus, Genelli, äußert: „wüßten die bloßen Por-
Verstorbenen nach Jahrhunderten soviel als le- trätmaler, was an einem Porträt wäre, so wären
bendig zu machen, und dies werde man inne mit sie mehr denn Porträtmaler", und Stauffer-Bern
hoher Befriedigung des Künstlers und mit vieler in der Porträtmalerei „die Quintessenz und den
Wonne". Und ähnlich sieht bald Dürer, vielleicht Maßstab künstlerischen Könnens" sieht, so sind
von Alberti beeinflußt, die eine der beiden Auf- das Zeichen einer Unsicherheit dem Porträt gegen-
gaben der Malerei darin, das Bildnis der Menschen über, die auf tiefergehende Änderungen in der
über ihren Tod hinaus aufzubewahren. Wennsich geistig-künstlerischen Disposition seit den Groß-
danneinzelne Große als Porträtisten nicht betätigt zeiten des Porträts deuten.

haben — etwaGrünewald oder Michelangelo—so Fragen wir etwa bei Goethewegen seiner Stellung
betrachten in überwältigender Mehrheit auch die zum Porträt an, so hören wir merkwürdig wenig
größten Meister das Porträt als ernsthafte künst- und wenig Bedeutendes. In den „Wahlverwandt-
lerische Angelegenheit. Dürer, Baffael, Tizian, schaften " heißt es einmal: ..mit einem Porträt von
Rubens, Bembrandt, Velasquez brauchen nur ge- Personen, die man kennt, ist man niemals zu-
nannt zu werden, um dies zu beweisen. Wenn frieden. Deswegen habe ich die Porträtmaler
man von dieser Seite kommt, so ist man er- immer bedauert. Man verlangt so selten von den
staunt, aus dem ig. Jahrhundert etwa Böcklin Leuten das Unmögliche und gerade von diesen

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