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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Dirksen, Victor: Hamburgische Malerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.14161#0346

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PHILIPP OTTO RUNGE

Hamburs, Kunsthalle

DAS NACHTIGALLENGEBÜSCH

HAMBURGISCHE MALEREI IN DER ERSTEN HÄLETE DES
19. JAHRHUNDERTS*)

Zum Unterschied von Kunstzentren wie Ber-
lin, Dresden und München, haben in Ham-
burg die Künstler von jeher unter einer gewissen
Isolierung zu leiden gehabt, nicht nur aus dem
Grunde, weil der Boden Hamburgs und die
Sinnesart seiner Bewohner künstlerischen Din-
gen nicht günstig waren, sondern weil hier die
Akademie fehlte, welche, besonders im Anfang
des 19. Jahrhunderts, der natürliche Mittel- und
Ausgangspunkt künstlerischer Anregung und
Traditionsbildunghättesein können. Es gab zwar
Lehrer wie Gerdt Hardorff, S. Bendixen und
J. H. Herterich, die Zeichen- und Malschulen
unterhielten, auch wohl einige alte Gemälde den
Schülern als Vorbilder wiesen, der Unterricht
erstreckte sich doch nur auf die Anfangsgründe
der Technik und Komposition. So sehen wir
denn Runge nach Kopenhagen und Dresden, die
meisten der späteren Künstler sich zur Vollen-
dung ihrer Ausbildung nach München wenden.
Ein wesentlicher Unterschied in der Stellung
Hamburgs zur Kunst gegenüber den Metropolen
lag auch darin, daß Hamburg keine Residenz
war. Keine fürstliche Passion und Prachtliebe
schuf hier je jungen Künstlern dekorative und
Porträtaufträge, keine Kunstkammer wie in viel
kleineren Plätzen gewährte dem jungen Maler
Anregung und Belehrung. Stets ist die Initiative
auf kulturellem Gebiet von privater Seite in
Hamburg ausgegangen.

Wie es bei der überragenden Bedeutung des
Handels in Hamburg nicht anders zu erwarten
ist, nahm auch im Beginn des 19. Jahrhunderts
die Kunst im Kulturleben der Stadt nur einen
bescheidenen Platz ein.

Im 18. Jahrhundert vertraten in Hamburg Bal-

*) Bei Gelegenheit des Erscheinens von Gustav Paulis „Die Ham-
burger Meister der guten alten Zeit", München, Hyperion-Verl.

thasarDenner,später sein Schwager v. d. Smissen
den von Frankreich stammenden repräsentativen
Bildnisstil. Eine Welt liegt zwischen ihren Bil-
dern und denen Philipp Otto Runges, mit denen
das neue Jahrhundert in Hamburg einsetzt. Nach
seiner Ausbildung in Kopenhagen und Dresden
kehrte Runge i8o4 hierher zurück, die letzten
sechs Jahre seines Lebens vor allem der Aus-
gestaltung der vier Tageszeiten widmend. Da-
neben entstanden Bildnisse von herber Groß-
artigkeit, zwei religiöse Gemälde, die Lehrst unde
der Nachtigall und die poetische Schilderung
der Quelle.

Wenn wir den Ernst Rungescher Bildnisse mit
der Liebenswürdigkeit Groegerscher Gestalten
vergleichen, spüren wir, wie Runge diesem Spe-
zialisten überlegen ist.

Runge blieb eine vereinzelte Erscheinung, ohne
Vorläufer, ohne Nachfolge. Seine Kunst trägt
alle Merkmale einer ganz persönlichen Leistung.
Die jüngere Generation, die durch die Namen
Julius Oldachs, Erwin Speckters, Julius Mildes,
V. E. Janssens und Fr. Wasmanns bezeichnet
wird, steht unter der Einwirkung der durch die
Nazarener ins Leben gerufenen Kunstanschau-
ung. Oldachs Bildnisse, die vor seiner Münchner
Studienzeit liegen, lassen ahnen, wieviel natür-
liches Darstellungstalent er besaß, das dann aus
seiner ursprünglichen Bahn gelenkt wurde. Ol-
dachs Leben und Schaffensdrang stand unter dem
dunklen Schatten unheilbarer Krankheit, die zu
einem frühen Tode führte. Ein gleiches Schicksal
traf Erwin Speckter und Janssen. Speckter ver-
fiel nach den liebenswürdigen Leistungen seiner
Jugend, wie den „Frauen am Grabe", den Bild-
nissen, einem weichen Akademismus.
Die stärkere Begabung als er war entschieden
V. E. Janssen. Es hat sich von seinen Bildern

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