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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 1
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Grautoff, Otto: Im Schatten Poussins
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0032

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NEUORDNUNG DER ITALIENISCHEN RENAISSANCEMALEREI IN DER „GRANDE GALERIE" DES LOUVRE

geführt', das mir bekannt ist. Zwei Herren emp-
fangen mich. Zwei Herren, die ich kannte, die
mich wieder erkennen. Es ist alles wie sonst. Sie
begrüßen mich. Das Gesprächsthema ist Poussin.
Mir werden freundliche Worte über mein Pous-
sinwerk gesagt. Ich sehe die beiden Bände irgendwo
liegen. Ich kann wohl sagen, daß mir das Freude macht.
Ich habe fünf Jahre im Dienste des größten fran-
zösischen Malers gestanden, und Franzosen danken
mir dafür. Jean Guiffrey tritt ein. Er ist ein wenig
stärker geworden und trägt eine schwarz umrän-
derte Hornbrille. Wir sprechen über die Neuord-
nung der Galerie. Nachher werden mir die noch
nicht öffentlich zugänglichen Säle des 17. und
18. Jahrhunderts gezeigt. Paul Jamot führt mich
durch diesen Tempel der französischen Malerei, in
dem ich jahrelang täglich ein- und ausgegangen bin.
Wir sprechen über den Stammvater der modernen
französischen Kunst. Beim Abschied höre ich die
Worte: „Ich war glücklich, daß ich mit Ihnen über
ein Thema sprechen konnte, das wir beide gleich-
mäßig lieben." Es ist alles wie sonst. Nur die ver-
haltene Melancholie dieser Worte hat mir wieder
zum Bewußtsein gebracht, daß zwischen damals
und jetzt die große Weltkatastrophe liegt.

In Poussins Schatten haben alle meine Begeg-
nungen stattgefunden. Poussins Geist beschirmte
mich auf meinen Wegen. Diese Gewißheit hat
meinen an schmerzlichen Eindrücken reichen Auf-
enthalt verklärt. Durch ein Gespräch über Poussin
kam jeder Franzose über die Peinlichkeit der ersten
Begegnung hinweg.

Natürlich hätte ich im Poussinsaale mich gerne
verweilender Betrachtung hingegeben; aber ich
mußte schon zufrieden sein mit diesem Rundgang
zu zweien.

Die beiden Säle des 17. und 18. Jahrhunderts
sind, wie alle übrigen Teile, völlig umgestaltet. Die
riesenhaften Räume wirkten bis dahin kalt, frostig
und öde. Dieser Eindruck ist dadurch aufgehoben,
daß zweimal zwei Zwischenwände eingefügt worden
sind. Die Wandbespannung ist rot geblieben. Das
ließ sich nicht ändern, weil ein Zusammenklang
mit der goldenen Decke gefunden werden mußte.
Es ist alles vermieden worden, um den Besucher zu
ermüden. Die vier Jahreszeiten von Poussin hängen
nicht mehr nebeneinander, sondern einander gegen-
über. Apollo und Daphne sind auf einer der Sei-
tenwände in bessere Beleuchtung gerückt. Es ist
in beiden Sälen dauernd für Abwechslung gesorgt,
und gleichzeitig ist eine gewisse Symmetrie erzielt.
Einige Bilder des 17. und 18. Jahrhunderts sind
aus den Magazinen hervorgeholt, andere sind aus
den Sälen entfernt. Die religiösen Gemälde von
Eustache Eesueur sind im Sinne ihrer ehemaligen
Bestimmung wirkungsvoll zwischen den weißen
Säulen im Treppenhause des Escalier Mollien un-
tergebracht worden.

Schon vor dem Kriege hat die jüngere Gene-
ration der Konservatoren des Louvre die Aufmerk-
samkeit der europäischen Kunstwelt auf sich ge-
zogen. In Eouis Demonts, Jean Guiffrey, Paul Jamot,
Paul Vitrv u. a. wuchs ein Geschlecht von Museums-
beamten heran, das, in Parallele zu der übrigen

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