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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 4
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Waldmann, Emil: Henry Thode
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0166

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MARTIN VON ROHDEN, ITALIENISCHE LANDSCHAFT. LAVIERTE FEDERZEICIIXL'XG

HENRY THODE f

Im Alter von vierundsechzig Jahren ist Professor HenrvThode
gestorben, dem der Ausbruch des italienischen Krieges sein
Heim am Gardasee genommen hatte und der seitdem unstet
wanderte. Thode war vor zwanzig Jahren der populärste Kunst-
historiker in Deutschland, als ein Redner von ganz großem
Stile und von einer geradezu faszinierenden Wirkung. Ein Vor-
trag von ihm, etwa über die Kultur der Renaissance, oder
über Michelangelo, bedeutete auch jenseits seines meist sehr
geistvollen Inhalts immer eine rhetorische Leistung seltenster
Art. Durch seine Verbindung mit dem Hause Wahnfried,
durch „Richard Wagner und das Gesamtkunstwerk", durch
seine Teilnahme am Werdandi-Bunde und durch manche
andere Dinge ward er in späteren Jahren ein wenig zum
Totengräber des eigenen Ruhmes. Darüber vergaß man
dann seine bedeutenden wissenschaftlichen Leistungen.
Sein Buch über die Nürnberger Malerschule hat ebenso
bleibenden kunsthistorischen Wert wie sein weiter ausholen-
des Buch über „Franz von Assisi und die Anfänge der Re-
naissance". Noch wichtiger scheinen uns seine zuerst im Re-
pertorium für Kunstwissenschaft erschienenen Arbeiten über
Tintoretto, den Meister, den er aus der Sphäre grimmigster
Verkennung wieder hineingestellt hat in die Reihe der Großen.

Zur Kunst seiner Gegenwart hatte Thode kein sehr in-
times Verhältnis. Nur für Hans Thoma hat er sich sehr
interessiert und ist zum eigentlichen Herold der in den neun-
ziger Jahren noch fast unbekannten Thomaschen Kunst ge-
worden, durch Wandervorträge, Aufsätze und durch Heraus-
gabe des Thomaschen Gesamtoeuvres. Diese Tätigkeit ist
Hans Thoma nicht immer gut bekommen. Seine enge Be-
rührung mit der Welt Richard Wagners hat Dinge gezeitigt,
über denen er sein besseres malerisches Teil fast verloren
hätte.

Großen Einfluß hatte Thode als Universitätslehrer in
seiner Heidelberger Professur. Fast eine ganze Generation
junger Kunsthistoriker ist durch seinen Hörsaal und sein
Seminar gegangen, mit verschiedenem, ja mit wechselndem
Erfolg. Für Anfänger nicht ganz ungefährlich, boten seine
Vorlesungen für reifere Menschen wenigstens auf dem Ge-
biete des Kulturhistorischen oft fruchtbare Anregung. Zum
Museumsleiter, der er ein paar Jahre am Staedel war, eig-
nete er sich nicht so recht. Das Rednerpult war seine Stelle.

Viele seiner Schüler und Freunde werden der geistvollen
und liebenswürdigen Persönlichkeit des Dahingegangenen
ein freundliches Andenken bewahren. E. Waldmann.

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