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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 2
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Sarre, Friedrich: Eine persische Zeichnung der Parabel vom blinden Blindenleiter
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0073

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PETER BREUGHEL, DIE PARABEL VOM BLINDEN BLINDENLEITER

NEAPEL, MUSEO NAZIONA1E

5, 14) gelten: „Lasset sie (die Pharisäer) fahren,
sie sind blinde Blindenleiter; wenn aber ein Blinder
den anderen leitet, so fallen sie beide in die Grube."
Ein Gemälde von Hieronymus Bosch, das diese
Parabel behandelte und sich im Besitze von König
Philipp II. befand, ist bei einem Brande des Prado
verloren gegangen. Den gleichen Vorwurf finden
wir auf einer Zeichnung des Peter Breughel d. Ä. im
Berliner Kupferstichkabinett und auf seinem be-
rühmten Gemälde des Neapeler Museums „un chef-
d'oeuvre d'observation physionomique et satirique" *.
Während auf der Berliner Zeichnung nur zwei
Figuren dargestellt sind, zeigt das Gemälde gleich-
falls eine Kette von mehreren Blinden, von denen
der erste, der Führer, schon gestrauchelt und in
den Wassergraben gefallen ist.

Ein direkter Zusammenhang zwischen dem
Breughel'schen Bilde und der persischen Zeichnung
läßt sich im einzelnen nicht nachweisen. Aber
unzweifelhaft scheint es mir zu sein, daß ein an-
deres, in ähnlicher Weise wie Breughel die Parabel
behandelndes Kunstwerk, ein Gemälde, eine Zeich-
nung oder ein Stich dem persischen Künstler vor-

* L. Maeterlinck, Le Genre satirique dans la peinture
flamande, Bruxelles 1903. pag. 316.

gelegen hat und von ihm kopiert worden ist. Über
den Vorwurf als solchen, die Illustration der christ-
lichen Parabel, war er sich wahrscheinlich nicht
klar, und so hat er auch das Motiv des Straucheins
des ersten Blinden nicht wiedergegeben und fort-
gelassen. Ihn reizte allein das Motiv, ein Zug von
Blinden, zur Nachbildung; und auch in seiner
Arbeit kommt das psychologisch Bedeutsame, die
verhängnisvolle Vertrauensseligkeit, die „blinde"
Zuversicht der Blinden auf den stolpernden Leiter
ihres Zuges zu erschütterndem Ausdruck. Von
einer Nachbildung im Äußerlichen, im Kostüm
und so weiter hat er abgesehen. Sehr merkwürdig
ist die kleine Gestalt des Eselführers. Die Bildung
dieses untersetzten korpulenten Männchens mit dem
fratzenhaft gezeichneten Kopf erinnert unwillkür-
lich an Breughel'sche Figuren. Sollte auch hier
ein Zusammenhang vorliegen? Man könnte ver-
sucht sein, diese Figur zur Stütze der Vermutung
zu verwenden, daß dem persischen Künstler mehrere
Breughel'sche Zeichnungen oder Stiche vorgelegen
haben, nach denen er dann gemeinsam auf einem
Blatte den Blindenzug der Parabel und eine fratzen-
hafte Figur kopiert oder vielmehr nur dem Vorwurfe
nach, nicht im Detail, nachgebildet hat.

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