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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 2
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Walser, Robert: Apollo und Diana von Lukas Cranach: ein Gedicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0080

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Apollo:

Ich wüßt' wohl selbst nicht, was ich tat
und ging zur Jagd aus Langeweile,
sie war mir bloß ein Zeitvertreib.

Diana:

Und darum tötetest du Tiere?
Apollo:

Ja, darum nur; nicht, weil ich's wollt'.
Diana:

Verfolgtest arme und unschuld'ge
Geschöpfe, wie dies zarte Reh hier,
das mir mit seinem weichen Leib
zum Sitze dient, als wär's ein Sessel,
dies Wesen, das nicht reden, sondern
nur seufzen kann, wenn du's verwundest,
kläglich schwimmend in seinem Blute I
O, kehr' dich ab von solcher Art,
beklage die verlor'ne Zeit,
die du hinbracht'st mit Jagdgelüsten,
leg' ab den Bogen, greif zur Leier
und widme dich der holden Kunst,
sei Schützer und Begeisterer
von allem Schönen und Gerechten.

Apollo:

Ich liebe dich und kann unmöglich
anders, als eifrig dir gehorchen.
So sag' ich von der Jagd, von allen
rohen Zerstreuungen mich los
und will von nun an alles nur
auf das Gefühl gegründet wissen
und immer erst ein bißchen denken

bevor ich handle, daß dann niemand

durch mich zu leiden hat, es wollen und

dürfen ja alle leben, Blumen

und Tier' und Menschen. Alles,

was Freud' und Schmerzen fühlt, sei heilig

mir, der ich Beides auch empfinde.

Das lehrte mich soeben dein

reizender Mund, der mir das nicht

vergeblich soll verkündet haben.

So will ich denn jetzt nichts mehr tun, als

was herzlich ist.

Diana:
Ich glaube dir's.
Sing' nur recht schöne Liebeslieder.

Apollo:

Du selber bist das schönste Lied.
Diana:

So suche mich denn nachzuahmen.
Apollo:

Am liebsten blieb' ich hier bei dir,
wollt' nichts, als dir in's Auge schauen,
schon nur dein süßes Lächeln wäre
fortwährenden Genusses wert.

Diana:

Gut! Doch beherrsche dich ein wenig;

es soll in allem eine Grenze

sein und ein Maß, bleib' aber ruhig

mein Freund. Geh jetzt, es ist schon spät,

wir seh'n uns wohl bald einmal wieder.

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