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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 2
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Lessing, Waldemar: Münchener Malerei um 1800: Ausstellung der Galerie Heinemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0086

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Entwickelung Münchens zu Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts. Als Reisebegleiter und Berater des hochherzigen
Kronprinzen Ludwig erschließt sich ihm die künstlerische
Atmosphäre von Dresden, Prag, Wien, Florenz, Rom und
Paris, und er lernt dort die Galerien kennen. Die Fundie-
rung der Münchener Sammlungen, der Ankauf von Bildern
wie Peruginos Vision des heiligen Bernhard, Raffaels Ma-
donna Tempi, die große Madonna von Tizian, die Er-
werbung der Sammlung Boisseree und Wallerstein und
vieler Antiken für die neu errichtete Glyptothek bis zur
Verwirklichung des Baues der Pinakothek und deren
Neuordnung bezeichnen in seinem Leben die Marksteine
einer grandiosen, musealen Laufbahn. Durch häufige italie-
nische Reisen hat er vielleicht am meisten von dem euro-
päischen Klassizismus, von der Claudeschen Komposition
und Farbe in sich aufgenommen und steht dadurch im
Gegensatz zu Dorner und Wagenbauer. Aber auch er kann
nicht verstanden werden, ohne seine schon ganz impressio-
nistischen Zeichnungen, die am besten zeigen, daß ein Weg
von der malerischen Kultur des achtzehnten Jahrhunderts
zur Freilichtmalerei des neunzehnten Jahrhunderts ohne
Schnitt hinüberführt.

Wie Wilhelm von Kobell beschränkte sich Dillis nicht
auf die Landschaftsmalerei. Wenn aber Kobell in dem Porträt
des jungen Josef Schilcher die Psyche eines fünfzehnjährigen
romantischen Jünglings und in dem Bildnis des Kronprinzen
Ludwig das Repräsentative des künftigen bedeutenden Fürsten
in eine höhere Sphäre der Menschlichkeit zu erheben weiß,
überrascht Dillis durch die auf eine fast grausame Sachlich-
keit eingestellte Charakteristik eines Frauen- und eines

Männer-Porträts. Dillis und Kobell wurden von der Aka-
demie insofern anerkannt, als man ihnen die Professur der,
allerdings nicht als ebenbürtig anerkannten, Landschafts-
malerei verlieh. Es waren heftige Kämpfe, die sich ent-
wickelten, als 1808 die neue Akademie konstituiert worden
war und der Klassizismus unter dem Direktor Peter von
Langer, dem David Schüler aus Düsseldorf, hier eine Trutz-
burg gefunden hatte. Dillis stand den jungen Landschaftern
bei den Anfeindungen, die den Naturalisten von den reinen
Akademikern wurden, treu zur Seite. Aber vor allem fand
die geschmähte Richtung einen hohen Gönner in König
Max. In Schloß Tegernsee, seinem Lieblingsaufenthalt, be-
hängte er die Wände der von ihm bewohnten Zimmer in
dichter Pflasterung mit seinen geliebten bayerischen Land-
schaftsbildern. Er fühlte, daß hier in der bodenständigen
heimatlichen Malerei und nicht in dem internationalen
Klassizismus eine Bayern adäquate Kunst heranwuchs.

Die auf Anregung von Dr. Adolf Feulner und unter seiner
tätigen Mithilfe durch die Galerie Heinemann in dankens-
wertester Weise veranstaltete Ausstellung gab ein selten voll-
ständiges Bild der Malerei in der vorludovicianischen Epoche.

Die größte Zahl der Bilder und Zeichnungen stammt aus
altem Privatbesitz, ein kleinerer Teil aus öffentlichen Samm-
lungen. Dank der Bereitwilligkeit der Eigentümer der
Kunstwerke, sich für die Dauer der Ausstellung von einem
lieben Besitze zu trennen und dem Entgegenkommen der
Museumsdirektoren war es möglich, für kurze Zeit die weit-
verstreuten Objekte zu einem Ganzen zu vereinigen. Möge
über der in Aussicht gestellten, der ludovicianischen Epoche
gewidmeten Ausstellung ein ähnlich glücklicher Stern walten!

WILHELM VON KOBELL, REITER UND JÄGER

AUSGESTELLT IN DER GALERIE HEINEMANN, MÜNCHEN

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