AUGUST GAUL, PINGUIN. BRONZE
MIT ERLAUBNIS VON PAUL CASSIRER, BERLIN
zipieren müssen, so müssen wir selbst erkennen,
daß unsere Kunst auf diesem Wege nicht fortgehen
darf, daß sie sonst nur immer weiter in den Sumpf
gerät. Wir brauchen zur Erneuerung, zum Wieder-
aufbau, den wir alle ersehnen und an dem wir alle
arbeiten möchten, zunächst eine gründliche Einkehr
und Umkehr, ganz besonders auch in der Kunst.
Wenn wir nicht ausVerzweiflung uns demBolscbewis-
mus in die Arme werfen wollen, der alle bisherigen
Errungenschaften niederwalzt und dann
vielleicht den Boden für immer steril zu-
rücklassen wird, dann müssen wir von der
alten, jetzt ins wüste ausgearteten Groß-
mannssucht und Phantasterei ablassen,
müssen recht klein und bescheiden wer-
den — die Feinde werden ja fortfahren,
uns auf diesen Weg zu zwingen 1 — und
so endlich erst einmal zur Besinnung
kommen. Wir müssen zu nüchterner,
angestrengter Arbeit, zu bescheidensten
Ansprüchen zurückkehren, statt wie bis-
her die großartigsten, meist törichten
Pläne weiterzuspinnen, statt von der
Gegenwart noch genießen und erhaschen
zu wollen, was irgend möglich ist. Wir
werden zu einer Beschränkung und Ein-
schränkung gezwungen werden, von der
wir heute noch, scheint's, kaum eine
Ahnung haben; denn noch werden Kom-
missionen über Kommissionen neu er-
nannt, wird die Zahl der Beamten täg-
lich vermehrt, werden ihre Gehälter ver-
vielfacht, sodaß der Befehlenden bald
nicht sehr viel weniger sein werden als
derer, die — nicht gehorchen. Von
Reformen, von völligen Umwälzungen
ist ununterbrochen die Rede, zahlreiche
Entwürfe werden gemacht, Kommissio-
nen werden ernannt, aber zur Aus-
führung kommt es nur sehr selten. In
der Kunstverwaltung und im Kunst-
unterrichtswesen am wenigsten; wenn
einmal ein Versuch gemacht wird, ist
er so radikal und unüberlegt, daß er mißlingen
muß. Und doch ist die Kunst ein Wertmesser für
die Kultur überhaupt, ja einer der wesentlichsten
und untrüglichsten. Nach dem Stande unserer
Kunst von heute wird daher, fürchte ich, das
Urteil der Geschichte über unsere derzeitige deut-
sche Kultur, in der der „Dadaismus" in weiten
Gebieten nicht nur der Kunst sich breit macht,
ein sehr beschämendes sein.
MS
MIT ERLAUBNIS VON PAUL CASSIRER, BERLIN
zipieren müssen, so müssen wir selbst erkennen,
daß unsere Kunst auf diesem Wege nicht fortgehen
darf, daß sie sonst nur immer weiter in den Sumpf
gerät. Wir brauchen zur Erneuerung, zum Wieder-
aufbau, den wir alle ersehnen und an dem wir alle
arbeiten möchten, zunächst eine gründliche Einkehr
und Umkehr, ganz besonders auch in der Kunst.
Wenn wir nicht ausVerzweiflung uns demBolscbewis-
mus in die Arme werfen wollen, der alle bisherigen
Errungenschaften niederwalzt und dann
vielleicht den Boden für immer steril zu-
rücklassen wird, dann müssen wir von der
alten, jetzt ins wüste ausgearteten Groß-
mannssucht und Phantasterei ablassen,
müssen recht klein und bescheiden wer-
den — die Feinde werden ja fortfahren,
uns auf diesen Weg zu zwingen 1 — und
so endlich erst einmal zur Besinnung
kommen. Wir müssen zu nüchterner,
angestrengter Arbeit, zu bescheidensten
Ansprüchen zurückkehren, statt wie bis-
her die großartigsten, meist törichten
Pläne weiterzuspinnen, statt von der
Gegenwart noch genießen und erhaschen
zu wollen, was irgend möglich ist. Wir
werden zu einer Beschränkung und Ein-
schränkung gezwungen werden, von der
wir heute noch, scheint's, kaum eine
Ahnung haben; denn noch werden Kom-
missionen über Kommissionen neu er-
nannt, wird die Zahl der Beamten täg-
lich vermehrt, werden ihre Gehälter ver-
vielfacht, sodaß der Befehlenden bald
nicht sehr viel weniger sein werden als
derer, die — nicht gehorchen. Von
Reformen, von völligen Umwälzungen
ist ununterbrochen die Rede, zahlreiche
Entwürfe werden gemacht, Kommissio-
nen werden ernannt, aber zur Aus-
führung kommt es nur sehr selten. In
der Kunstverwaltung und im Kunst-
unterrichtswesen am wenigsten; wenn
einmal ein Versuch gemacht wird, ist
er so radikal und unüberlegt, daß er mißlingen
muß. Und doch ist die Kunst ein Wertmesser für
die Kultur überhaupt, ja einer der wesentlichsten
und untrüglichsten. Nach dem Stande unserer
Kunst von heute wird daher, fürchte ich, das
Urteil der Geschichte über unsere derzeitige deut-
sche Kultur, in der der „Dadaismus" in weiten
Gebieten nicht nur der Kunst sich breit macht,
ein sehr beschämendes sein.
MS