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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 4
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0168

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In der Masse fällt der Hamburger
W. Davidson mit einigen altmeister-
lich zurechtgemachten, daumierarti-
gen Bildern als Begabung auf; man
verweilt angeregt vor den Arbeiten
Richard Colins, hauptsächlich vor
seinem Damenbildnis; Erich Büttner
bringt sein vielseitiges Können und
seine ungemein einfühlungsfähige
Geschicklichkeit aufs beste auch hier
zur Geltung; Martin Brandenburg,
dessen Gedächtnis eine Wand ge-
widmet ist, erinnert mit seinen Ar-
beiten an Zeiten, die weit zurück-
zuliegen scheinen; Friedrich Feigel
ist mit zehn Arbeiten vertreten, von
denen einige Eindruck zu machen
wissen; R. L. Leonhard macht sich
mit geistreichen und technisch pikan-
ten Zeichnungen angenehm bemerk-
bar; Erich Lüdke wirkt nachdrücklich
mit hodlerartig scharf gesehenen
Bildnissen; Lene Schneider-Kainer
stellt sich auch hier wieder vor als
ein starkes Frauentalent mit Ge-
schmack und Kultur; vor allem aber
überrascht Auguste von Zitzewitz
mit ihrer Kollektivausstellung. Man
erinnert sich nicht, jemals so gute
Bilder von ihr gesehen zu haben,
um so weniger, als in diesen Arbei-
ten die sonst ärgerliche Absichtlich-
keit einer sinnlichen Unbefangenheit
gewichen ist. Ein Bild wie das Baby
im Kinderwagen bleibt im Gedächtnis.

Unter den Wandmalereien fällt
Georg Rössners Arbeit wieder durch
guten Geschmack auf. Er ist nicht
eiri Freskotalent, aber er könnte
ein vortrefflicher praktischer Deko-
rationenmaler sein. Wilhelm Schmid
dagegen vermag mit seinen unglaub-
haften Primitivitäten in keiner Weise
zu interessieren; er reckt sich künst-
lich zu einer Bedeutung aus, die
er nicht hat.

Diese Anmerkungen umfassen nicht alles Bessere der
Ausstellung; man findet vielmehr im einzelnen noch manches
begabte Werk. Es soll nur gesagt werden: täte man die
besseren Arbeiten in einen Saal zusammen, so käme ungefähr
wieder das Niveau einer Ausstellung der Berliner Sezession
heraus — einer Sezessions-Ausstellung ohne Corinth. Damit
ist aber auch gesagt, daß sich die Grenzen zwischen den
jurierten und den juryfreien Ausstellungen verwischen. Die
Freie Sezession steht scheinbar vor der Auflösung, die Ber-
liner Sezession ist auch nicht mehr notwendig; es bleibt die
Ausstellung der Akademie und die reine Verkaufsausstellung,
zu der jeder Künstler Zutritt hat. Und das ist das Ende
vom heroischen Lied. K. Sch.

VIKTOR E. JANSSEN, GEWANDFIGUR
BLEISTIFT

PRAG

aum haben drei Gedächtnis-Aus-
stellungen, dem ioo. Geburtstag
Josef Manes zu Ehren dessen Oeuvre
vereinigend, ihre Pforten geschlossen,
treten zwei neue Veranstaltungen
auf den Plan, gleichsam den Be-
weis eines kontinuierlichen Prager
Kunstlebens zu führen. Die eine die
Herbstschau offizieller Kunst der
jüngeren Tschechen, die, in ihrer
Zusammensetzung die landläufige Se-
zession, hier unter dem Namen „Ver-
ein bildender Künstler Manes" auf-
treten, die andere eine Sonderaus-
stellung der Gemälde des jungen
Deutschböhmen Egon Adler; die
erste ein Sammelplatz gleicher Be-
strebungen verschiedener Künstler,
die zweite der heterogenen nur eines
Einzelnen. Beiden kann man leider
nur wenig Gutes nachsagen.

Und doch hätten die Mänesleute
bei strengerer Jury und weniger Eng-
herzigkeit — die Gruppe der Jüng-
sten scheint ausgeschlossen — ver-
möge der Talente in ihrer Vereini-
gung eine wirklich gute Ausstellung
vorführen können. So stört schon den
Eintretenden die geradezu lächerliche
Dekorierung der Räume durch Pavel
Janak, dessen breite, die Räume um-
säumende Zierleisten in ihrer roten
Farbe wie vergröberter, billiger Jahr-
marktsschmuck wirken. Die Dispo-
sition der Räume, für die der gleiche
Architekt verantwortlich zeichnet,
ist ebenso unglücklich: der Plastik
ist ein zu weiter Rahmen eingeräumt,
so daß sich die Gemälde im engsten
Nebeneinander drängen. Diesen nun
ist eins gemeinsam: der Mangel jeg-
licher nationaler Eigenart; europäisch
bis in den letzten Pinselstrich, glau-
ben die Maler den Mangel durch
Wahl nationaler Themen beheben
zu können, auf diese Weise die Ausstellung zu einem
nationalistischen Lesebuch gestaltend. Durchgehend fehlt
das Porträt. Nationale Allegorien wechseln mit national-
beziehungsreichen Landschaften — das Breitformat gibt der
Ausstellung Gepräge. Unter den rund hundert ausgestellten
Gemälden ist nur eins, das ernstere Betrachtung und ein-
gehendere Beschäftigung verdient: Zrzavys „Melancholie",
eine bei Kerzenlicht einsam im Zimmer sitzende Frau dar-
stellend. Inhaltlich eindeutig bestimmt, zeugt das Bild von
großem formalen Können; der koloristische Ausdruck ist
zwingend gerade durch die sparsame Verwendung der Farbe
vom Tiefrot über Braun, Gelb zum grünlichen Weiß. Die
Strenge der Zeichnung verleiht dem Bilde in noch ver-

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