STIER
LEICHTE FARBEN AUF PAPIER
SAN KT ADA, JAPAN, I3I4 —15. TOKIO
DIE KUNST OSTASIENS
VON
OTTO KÜMMEL
Die Kunst Ostasiens ist die jüngste geistige
Eroberung Europas. Noch vor fünfund-
zwanzig Jahren wußte man von ihr so wenig, daß
einer der bedeutendsten Pariser Sammler von
„Chinoiserieen", wie man sie bezeichnend nannte,
ungestraft einem seiner zahlreichen Aufsätze den
Titel geben konnte „L'art japonais avant Hok'sai"
— ins Deutsche übersetzt etwa „die deutsche Kunst
vor Oberländer", wenn die Zusammenstellung dem
deutschen Künstler nicht Unrecht täte. Dieser Un-
kenntnis ostasiatischer Kunst entsprach eine ebenso
erstaunliche Überschätzung des eigenen Besitzes
an ostasiatischen Kunstwerken. Immer und immer
wieder wurde versichert, daß Ostasien, unter dem
damals vor allem Japan verstanden wurde, sich
im ersten Taumel der Europäisierung wahllos seiner
alten Kunstschätze entledigt habe — natürlich zu-
gunsten der unvergleichlichen europäischen und
amerikanischen Sammlungen.
Inzwischen sind wir wissender und beschei-
dener geworden. Zuerst zeigte 1900 die Aus-
stellung der japanischen Regierung im Pavillon des
166
LEICHTE FARBEN AUF PAPIER
SAN KT ADA, JAPAN, I3I4 —15. TOKIO
DIE KUNST OSTASIENS
VON
OTTO KÜMMEL
Die Kunst Ostasiens ist die jüngste geistige
Eroberung Europas. Noch vor fünfund-
zwanzig Jahren wußte man von ihr so wenig, daß
einer der bedeutendsten Pariser Sammler von
„Chinoiserieen", wie man sie bezeichnend nannte,
ungestraft einem seiner zahlreichen Aufsätze den
Titel geben konnte „L'art japonais avant Hok'sai"
— ins Deutsche übersetzt etwa „die deutsche Kunst
vor Oberländer", wenn die Zusammenstellung dem
deutschen Künstler nicht Unrecht täte. Dieser Un-
kenntnis ostasiatischer Kunst entsprach eine ebenso
erstaunliche Überschätzung des eigenen Besitzes
an ostasiatischen Kunstwerken. Immer und immer
wieder wurde versichert, daß Ostasien, unter dem
damals vor allem Japan verstanden wurde, sich
im ersten Taumel der Europäisierung wahllos seiner
alten Kunstschätze entledigt habe — natürlich zu-
gunsten der unvergleichlichen europäischen und
amerikanischen Sammlungen.
Inzwischen sind wir wissender und beschei-
dener geworden. Zuerst zeigte 1900 die Aus-
stellung der japanischen Regierung im Pavillon des
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