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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 8
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0314

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Und dann ist da noch die Gruppe junger Italiener, die
sich „valori plastici" nennt und von Ludwig Justi mit
sanfter Gewalt in's Kronprinzenpalais geladen worden ist.

Was soll man sagen? Man wird's müde, immer das-
selbe zu wiederholen, immer von neuem zu konstatieren,
daß Justi mit seinen Veranstaltungen nicht nur sich per-
sönlich, sondern auch die Nation blamiert.

Wir brauchen uns diese trockne, freudlose, akademische
Talentlosigkeit der jungen Italiener wirklich nicht gefallen
zu lassen. Von der Art haben wir im eigenen Lande eben

genug. Wir brauchen uns auch nicht diesen kaiserlich-
kommunistischen Kunstmanager gefallen zu lassen, der mit
so unfehlbarer Treffsicherheit in allen Ländern die Talent-
losesten aufzutreiben weiß. Sein äußerer Erfolg? der eben
ist kompromittierend. Solche Tageserfolge haben Männer,
die weder Talent noch Überzeugungen noch Instinkte haben,
die aber nichts ohne Absicht tun und es glänzend ver-
stehen, — wie ein hübsches Witzwort sagt — den Mantel
nach dem „Sturm" zu hängen.

K. Sch.

CARL ERNST OSTHAUS f

Tu den Ostertagen ist Carl Ernst Osthaus in Meran ge-
-L storben. Im siebenundvierzigsten Lebensjahre. In seinem
kurzen Leben hat er viel geschaffen. Denn er gehörte zu
den Rastlosen, die schnell fertig werden wollen, weil sie
die Todeskrankheit fühlen. Viele Dinge griff er an, bohrte
sich fanatisch hinein und formte Taten daraus. So gelang
ihm viel Wertvolles, so mischte sich aber auch Ungereiftes
hinein. Seiner Vaterstadt Hagen i. W. hat er ein Museum
geschaffen, in dem wahrhaft herrliche Kunstwerke hängen,
alte und neue, das aber auch ein wenig wie das Produkt
einer fixen Idee wirkt. Daneben hat er eine Künstler-
kolonie gegründet und Künstlern wie van de Velde, Peter
Hehrens, Thorn-Prikken, Lauweriks, Milly Steger und vielen
andern Arbeitsgelegenheiten geschaffen; docli hat er nicht
zugleich Bodenständigkeit schaffen können. Er war ein
moderner Mäcen; die Förderung geriet ihm aber immer
in's Absichtsvolle und Organisatorische. Im Rheinland, wo
es so starken Kulturehrgeiz gibt, war Osthaus ein einfluß-
reicher Mann. Unruhig umherreisend, gründend, nach
vielen Seiten interessiert und jedes Interesse in eine Tat
verwandelnd, hitzig Kulturpolitik treibend, sehr avanciert
im Urteil, nicht sehr selbstkritisch, immer aber rein und
selbstlos als Mensch: so ist Osthaus durch sein kurzes
Leben gerannt. Er war ein Stück Unternehmer und darin
seinen Mitbürgern des Rheinlands, den Großindustriellen
gleich, obwohl diese ihn heftig bekämpft haben. Nur

waren die Objekte seines Unternehmertums Kunstwerke
und Künstler, Verlagswerke, Photographiensamnilungen, vor-
bildliche Drucksachen, Architekturen (Bahnhöfe, Krematorien,
Theater, Warenhäuser, Museen, Landhäuser), amerikanische
Wcltstadtpläne für das Industriegebiet und dergleichen.

Keine Spur von Trägheit war in diesem Mann; doch
war sein Tätigkeitstrieb, trotzdem er auf's Praktische ge-
richtet war, abstrakt. Sein Talent war sehr deutsch. Un-
anschaulich, raisonnierend und opferbereit, rationell und
ideologisch in einem. Mit Osthaus zu sprechen war nicht
leicht, vor allem nicht über Kunst, weil er programmatisch
dachte. Und es wurde einem in seiner Umwelt etwas un-
behaglich, weil das Bedeutende seines Tuns immer auch
rgendwie nach Absurdität schmeckte. Aber er war ein
Charakter aus einem Guß. Erblickte man die überlange,
schmalschultrige Gestalt auf Werkbundversämmlungen, Kunst-
auktionen oder sonstwo, so hatte man gleich den Eindruck
eines Mannes, der sich für seine Ideen hätte schinden
lassen. Er war nicht leicht traitabel, aber aufs höchste
achtungswürdig, fast verehrungswürdig. Sein Name ist mit
der Geistesgeschichte der Vorkriegszeit dauernd verbunden.
Seine Gestalt verkörpert darüber hinaus ein Stück Romantik,
ja Phantastik dieser scheinbar so materialistischen Zeit;
sie könnte einen Dichter reizen. In diesem Bewußtseins-
fanatiker war ein Kind verborgen; und das war sehr
liebenswürdig. Karl Schettler.

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