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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 9
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0339

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in dieser Gedächtnisausstellung vor dem großen inneren
Reichtum, die alle diese Arbeiten besitzen, im Verhältnis
zu dem, was heute neun Zehntel unserer Jüngsten uns bieten
können. Kahler hat durch Paris und durch Afrika ent-
scheidende Anregungen gewonnen, diese Anregungen aber
nicht überhastet und krampfig ausgewertet. Seine Malerei
ist ungemein gepflegt und wird von Jahr zu Jahr durch-
geistigter. Seine Stilleben legen ein besonders beredtes Zeug-
nis davon ab. Hier kann sich der Künstlet nicht nur mit
Ensor messen, sondern wird nahezu zum Ahnen jener fast
geisterhaften Stillebenmalerei, wie sie heute mehrfach ge-
pflegt wird, aber die Kahlers nicht übertrifft. Der Prager hat
mehr als einem deutschen Maler entscheidende Anregungen
vermittelt, vor allem Weisgerber. Ich habe in einem
früheren Bericht über eine Sommerausstellung der Münchner
neuen Sezession schon einmal davon gesprochen. Und
wie damals so will ich auch heute zum Schluß von der wahr-
haften Verehrung Delacroix' reden, die demütig und schöp-
ferisch zugleich aus so vielen Bildern und Zeichnungen Kahlers
uns im Schwung der Bewegung, in der Musik der Linie und
in der sanft strahlenden Farbigkeit entgegenklingt.

August L. Mayer.

STETTIN

Am 10. April wurde in Stettin die Ausstellung einer
Gruppe von Künstlern eröffnet, die sich Norddeutsche
Sezession nennt. Sie besteht aus einigen talentvollen Stet-
tiner Malern, denen es im Pommerschen Künstlerbund zu
eng wurde, und einigen Auswärtigen, die norddeutscher
Herkunft sind. Die Idee ist gesund; man will die Aus-
stellungen in Norddeutschland wandern lassen. Es ist er-
staunlich genug, wie wenig sich der Norden — mit Aus-
nahme von Bremen und Hamburg — bisher um die neuere
Kunst gekümmert hat, während im Westen schon fast zu-
viel des Guten getan wird.

Die Veranstaltung kann als erster Versuch für recht ge-
lungen gelten. Man hätte sich außer den schönen Zeich-
nungen Barlachs auch noch einige seiner Holzskulpturen
gewünscht; und auch Seewald müßte mit einem repräsen-
tableren Bilde vertreten sein. Aber auch das, was da ist,
gibt schon ein gutes Bild norddeutschen Kunstschaffens.

Von den Stettinern lallen einige sehr gute Zeichnungen
von Paul Holz auf. Den andern Stettiner Künstlern fehlt
es bei guten Anlagen an einer gewissen künstlerischen Er-
fahrung. Man sieht jetzt häufig Bilder von ganz jungen
Leuten, die die erstaunliche Fähigkeit haben, ein Bild zu
,,machen"; vielleicht ist es für den Maler ein Glück, nicht
zu wissen, wie es gemacht wird; aber in diesem Falle muß
eine starke Einfalt das Wissen ersetzen. Peltes Bauern-
kinder haben eine an die Modersohn erinnernde Einfachheit,
Mitlings Arbeiten zeichnen sich durch eine schöne Farbig-
keit aus, während von Bermes die Katalogzeichnungen das
beste sind.

Die Bilder der Auswärtigen, Degner, Domscheit, Blum-
berg, Heuser, Partikel, Röhricht sind zum Teil aus Berlin
schon bekannt. Von Degner sind die Bildnisse am ein-
drucksvollsten, Heusers neue Arbeiten haben eine kultivierte
Tonigkeit. Der Ostpreuße Domscheit gelangt immer mehr

M. VON SCHWIND, RÜCKENSTUDIE EINER DAME
ZUR „SYMPHONIE"

zur Gestaltung starken Erlebens; seine Bauern gehen in
einer düstern Landschaft einem dunkeln Geschicke entgegen.
Partikel bildet zu Domscheit im Temperament einen ge-
wissen Gegensatz; seine Bilder leuchten in fröhlichen
Farben; unter blühenden Bäumen scheinen die Mädchen
allein durch ihr Dasein das Leben zu bejahen. W. R.

BERLIN

Die Freie Sezession schreibt uns: Die folgenden Aus-
führungen waren als Vorwort zur Abteilung der Freien Se-
zession im Gesamtkatalog der Großen Berliner Kunstaus-
stellung bestimmt. Da einer Veröffentlichung in dem be-
absichtigten Rahmen sich Schwierigkeiten entgegenstellten,
seien sie auf diesem Wege zur Kenntnis gebracht:

„Als die Sezession gegründet wurde, war sie eine Kampf-
organisation der jungen Impressionisten gegen eine hem-
mende, akademische Kunstübung. So ist es manches Jahr
geblieben. Heute hat nicht nur der Impressionismus breite
Flächen erobert, auch die auf ihn folgende neue Kunst-
anschauung hat sich schnell und fast kampflos durchgesetzt.
Populär geworden im übelsten Sinn, sind beide in Gefahr,
durch Routiniers und konjunkturbeflissene Mitläufer gänzlich
verwässert zu werden.

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