auf einem einzigen Blatt erzählen, wie ein neuer
Schwind da. Leider zeigt er nicht mehr. Ich
mache mich anheischig, in einer halben Stunde
eine ListeSlevogtscherZeichnungen und Graphiken
zusammenzustellen, die als Grundlage einer wahr-
haft glänzenden kleinen Sonderausstellung dienen
könnte.
Von Liebermann und Slevogt sind noch einige
schöne Illustrationen da. Besonders von Lieber-
manns Zeichnungen zu Goethes ,,Mann von fünf-
zig Jahren" wird in der Folge noch zu sprechen
sein. Bangemann hat diese Zeichnungen mit
großem Geschick und bewunderungswürdiger
Treue in Holz geschnitten. Ihm gebührt ein starkes
Lob. Trotzdem bleibt es unverständlich, warum
Liebermanns, Slevogts und Orliks Arbeiten unter
seinem Namen ausgestellt worden sind. Ein
Zeitungskritiker ist, wie man hört, dadurch in
eine peinliche Verlegenheit geraten; er hat Bange-
mann einen jungen Zeichner genannt, der zu
Hoffnungen berechtigte.
Corinth hat nur neuere Arbeiten gesandt und
dadurch die Wirkung geschwächt, die er hätte
ausüben können. Am besten gefällt die Bildnis-
zeichnung, die seine Tochter darstellt. Auch die
Landschaften haben gute Stellen. Aber was hätte
an dieser Wand doch für ein Feuerwerk von
Einfall und Bravour losgelassen werden können!
Barlach wirkt als Zeichner auf die Dauer ein
wenig eintönig. Wie alle Bildhauer. Und seine
Holzschnitte sind, bei aller Güte, etwas gar zu
anachronistisch. Von weitem glaubt manDürersche
Holzschnitte zu sehen. Doch weiß die starke
Persönlichkeit jedesmal wieder für sich einzu-
nehmen. — Kokoschka hat sechs große Bildnis-
lithographien ausgestellt. In der Haltung ungefähr
zwischen Corinth und Münch. Aber;längst nicht
so gut wie beide. Es ist viel Mühe und Gewalt
auf den Ausdruck verwandt worden, doch sehen
die Köpfe, die Figuren, ziemlich genau wie
die andern aus. In der Erinnerung gehen einem die Bild-
nisse durcheinander; sie können unmöglich ähnlich sein.
Zum Lebendigsten in der Ausstellung gehören die Kari-
katurstudien des bereits vor zwölf Jahren jung gestorbenen
Rudolf Wilke. Sie wirken vor allem durch eine gährende
Lebendigkeit, durch Unbefangenheit und schöne System-
losigkeit, was bei Karikaturisten selten ist. Man spürt es
um so mehr, als Blätter einer anderen Simplizissimusgröße,
Arbeiten von Th. Th. Heine in der Nähe hängen, die schon
'gar zu sehr systematisiert, typisiert und spiritualisiert sind.
Gulbransson, der als Karikaturist so kräftig zu treffen weiß,
ist nur als Bildniszeichner vertreten. Er ist als solcher sehr
fein, sehr klug, sehr genau, aber auch etwas dünn und
körperlos.
Sonst findet man in der Ausstellung noch manches Be-
gabte : neue Radierungen von Hans Meid (worüber nächstens
einmal besonders gesprochen werden soll), farbige Radie-
rungen von Großmann (über die Emil .Waldmann hier
kürzlich gesprochen hat), Witziges von G.W. Rösner, An-
ADOLF HILDEBRAND, BILDNIS DES BRUDERS
sprechendes von Seewald, K. Kollwitz, M. Hübner, Hasler,
Kubin, Zille, Degner, Hofer und anderen, wovon bereits
ausführlich bei früherer Gelegenheit hier die Rede war,
oder wovon doch gelegentlich sicher einmal die Rede sein
wird; doch stecken alle diese Arbeiten tief in der Masse
des Mittelmäßigen und kommen nicht genügend zur Geltung.
Es fehlen der Ausstellung die Cäsuren.
Die beiden Mittelsäle sind Gestorbenen gewidmet: Adolf
Hildebrand und Max Klinger. Als Gedächtnisausstellungen
sind beide Veranstaltungen unzulänglich. Von Hildebrand
sind, abgesehen von einigen Büsten, eigentlich nur Neben-
arbeiten da. Wer ihn noch nicht kennt und seinem Wert
nach nicht bereits schätzt, wird nicht begreifen, warum die
Deutschen diesem Bildhauer den Meistertitel verliehen haben.
Nur wer genau hinsieht vermag — etwa vor dem altmeister-
lichen Bildnis des Bruders (das 1876 während eines Sommer-
aufenthaltes gemalt worden ist), oder vor der bekannten
bronzenen Wasserträgerin — zu erkennen, zu welcher Form-
beherrschung Hildebrand sich erzogen hat.
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Schwind da. Leider zeigt er nicht mehr. Ich
mache mich anheischig, in einer halben Stunde
eine ListeSlevogtscherZeichnungen und Graphiken
zusammenzustellen, die als Grundlage einer wahr-
haft glänzenden kleinen Sonderausstellung dienen
könnte.
Von Liebermann und Slevogt sind noch einige
schöne Illustrationen da. Besonders von Lieber-
manns Zeichnungen zu Goethes ,,Mann von fünf-
zig Jahren" wird in der Folge noch zu sprechen
sein. Bangemann hat diese Zeichnungen mit
großem Geschick und bewunderungswürdiger
Treue in Holz geschnitten. Ihm gebührt ein starkes
Lob. Trotzdem bleibt es unverständlich, warum
Liebermanns, Slevogts und Orliks Arbeiten unter
seinem Namen ausgestellt worden sind. Ein
Zeitungskritiker ist, wie man hört, dadurch in
eine peinliche Verlegenheit geraten; er hat Bange-
mann einen jungen Zeichner genannt, der zu
Hoffnungen berechtigte.
Corinth hat nur neuere Arbeiten gesandt und
dadurch die Wirkung geschwächt, die er hätte
ausüben können. Am besten gefällt die Bildnis-
zeichnung, die seine Tochter darstellt. Auch die
Landschaften haben gute Stellen. Aber was hätte
an dieser Wand doch für ein Feuerwerk von
Einfall und Bravour losgelassen werden können!
Barlach wirkt als Zeichner auf die Dauer ein
wenig eintönig. Wie alle Bildhauer. Und seine
Holzschnitte sind, bei aller Güte, etwas gar zu
anachronistisch. Von weitem glaubt manDürersche
Holzschnitte zu sehen. Doch weiß die starke
Persönlichkeit jedesmal wieder für sich einzu-
nehmen. — Kokoschka hat sechs große Bildnis-
lithographien ausgestellt. In der Haltung ungefähr
zwischen Corinth und Münch. Aber;längst nicht
so gut wie beide. Es ist viel Mühe und Gewalt
auf den Ausdruck verwandt worden, doch sehen
die Köpfe, die Figuren, ziemlich genau wie
die andern aus. In der Erinnerung gehen einem die Bild-
nisse durcheinander; sie können unmöglich ähnlich sein.
Zum Lebendigsten in der Ausstellung gehören die Kari-
katurstudien des bereits vor zwölf Jahren jung gestorbenen
Rudolf Wilke. Sie wirken vor allem durch eine gährende
Lebendigkeit, durch Unbefangenheit und schöne System-
losigkeit, was bei Karikaturisten selten ist. Man spürt es
um so mehr, als Blätter einer anderen Simplizissimusgröße,
Arbeiten von Th. Th. Heine in der Nähe hängen, die schon
'gar zu sehr systematisiert, typisiert und spiritualisiert sind.
Gulbransson, der als Karikaturist so kräftig zu treffen weiß,
ist nur als Bildniszeichner vertreten. Er ist als solcher sehr
fein, sehr klug, sehr genau, aber auch etwas dünn und
körperlos.
Sonst findet man in der Ausstellung noch manches Be-
gabte : neue Radierungen von Hans Meid (worüber nächstens
einmal besonders gesprochen werden soll), farbige Radie-
rungen von Großmann (über die Emil .Waldmann hier
kürzlich gesprochen hat), Witziges von G.W. Rösner, An-
ADOLF HILDEBRAND, BILDNIS DES BRUDERS
sprechendes von Seewald, K. Kollwitz, M. Hübner, Hasler,
Kubin, Zille, Degner, Hofer und anderen, wovon bereits
ausführlich bei früherer Gelegenheit hier die Rede war,
oder wovon doch gelegentlich sicher einmal die Rede sein
wird; doch stecken alle diese Arbeiten tief in der Masse
des Mittelmäßigen und kommen nicht genügend zur Geltung.
Es fehlen der Ausstellung die Cäsuren.
Die beiden Mittelsäle sind Gestorbenen gewidmet: Adolf
Hildebrand und Max Klinger. Als Gedächtnisausstellungen
sind beide Veranstaltungen unzulänglich. Von Hildebrand
sind, abgesehen von einigen Büsten, eigentlich nur Neben-
arbeiten da. Wer ihn noch nicht kennt und seinem Wert
nach nicht bereits schätzt, wird nicht begreifen, warum die
Deutschen diesem Bildhauer den Meistertitel verliehen haben.
Nur wer genau hinsieht vermag — etwa vor dem altmeister-
lichen Bildnis des Bruders (das 1876 während eines Sommer-
aufenthaltes gemalt worden ist), oder vor der bekannten
bronzenen Wasserträgerin — zu erkennen, zu welcher Form-
beherrschung Hildebrand sich erzogen hat.
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