Es bleibt freilich auch so die Freie Sezession die
einzige ernst zu nehmendeKünstlervereinigungunter
den am Lehrter Bahnhof versammelten Gruppen.
Sie zählt zu ihren Mitgliedern die lebendigsten
Talente und weiß junge Begabungen anzuziehen.
Darum wird hier auch von dieser Künstlervereini-
gung allein gesprochen. Was die Novembergruppe
zeigt, ist trostlos eintönig; außer dem nicht geist-
losen Nachempfinder Karl Voelker aus Halle, weiß
keiner zu interessieren. Uber die Ausstellung des
rialgefühl beklagen muß. Und die Gedächtnis-
ausstellung für Max Klinger endlich ist, in einem
uferlosen Raum, so lieblos hergerichtet, daß sie
dem in Deutschland verehrten Künstler gefährlich
wird.
Die Freie Sezession hatte also von vornherein
einen bedeutenden Vorteil. Sie hat ihn nicht ge-
nügend genutzt. Gewiß sind gute Kunstwerke da, an-
regend ist sogar das meiste; nicht eine einzige Wand
aber macht nachhaltig Eindruck, nirgends wird eine
MAX LIEBERMANN, WÄRTERIN MIT KIND
Vereins Berliner Künstler ist auch nichts zu sagen,
so viel achtbares Können dort zur Schau gestellt
wird, weil überall das Künstlerische mehr oder
weniger im Professionellen untergeht. Die Aus-
stellung des Bundes Deutscher Architekten sodann
ist zu summarisch und flüchtig gemacht, als daß
sie Bedeutung haben könnte; selbst der Saal mit
den Arbeiten Poelzigs enttäuscht, weil man vor
den neuesten Arbeiten dieses begabten Mannes,
vor den anspruchsvoll großen Porzellankandelabern,
einen schlimmen Mangel an Phantasie und Mate-
Folge sichtbar, nirgends beginnen die Kunstwerke
miteinander zu reden. Es fehlt der Ausstellung der
Körper. Versuche die deutsche Revolutionsspeise
mit französischen Saucen pikant zu machen —
mit Hilfe des geistreich pointierenden Manierismus
Vlamincks, Derains und Marie Laurencins, Picassos
und Braques, mit Hülfe der halb kunstgewerblichen
Formen- und Farbenspiele Paul Klees, der überbunt
kolorierten, übermäßig vergrößerten, ideenhaften
Illustrationen Dawringhausens, mit Hülfe von
Böckstiegels Kraßheiten und eines von Archipenko
380
einzige ernst zu nehmendeKünstlervereinigungunter
den am Lehrter Bahnhof versammelten Gruppen.
Sie zählt zu ihren Mitgliedern die lebendigsten
Talente und weiß junge Begabungen anzuziehen.
Darum wird hier auch von dieser Künstlervereini-
gung allein gesprochen. Was die Novembergruppe
zeigt, ist trostlos eintönig; außer dem nicht geist-
losen Nachempfinder Karl Voelker aus Halle, weiß
keiner zu interessieren. Uber die Ausstellung des
rialgefühl beklagen muß. Und die Gedächtnis-
ausstellung für Max Klinger endlich ist, in einem
uferlosen Raum, so lieblos hergerichtet, daß sie
dem in Deutschland verehrten Künstler gefährlich
wird.
Die Freie Sezession hatte also von vornherein
einen bedeutenden Vorteil. Sie hat ihn nicht ge-
nügend genutzt. Gewiß sind gute Kunstwerke da, an-
regend ist sogar das meiste; nicht eine einzige Wand
aber macht nachhaltig Eindruck, nirgends wird eine
MAX LIEBERMANN, WÄRTERIN MIT KIND
Vereins Berliner Künstler ist auch nichts zu sagen,
so viel achtbares Können dort zur Schau gestellt
wird, weil überall das Künstlerische mehr oder
weniger im Professionellen untergeht. Die Aus-
stellung des Bundes Deutscher Architekten sodann
ist zu summarisch und flüchtig gemacht, als daß
sie Bedeutung haben könnte; selbst der Saal mit
den Arbeiten Poelzigs enttäuscht, weil man vor
den neuesten Arbeiten dieses begabten Mannes,
vor den anspruchsvoll großen Porzellankandelabern,
einen schlimmen Mangel an Phantasie und Mate-
Folge sichtbar, nirgends beginnen die Kunstwerke
miteinander zu reden. Es fehlt der Ausstellung der
Körper. Versuche die deutsche Revolutionsspeise
mit französischen Saucen pikant zu machen —
mit Hilfe des geistreich pointierenden Manierismus
Vlamincks, Derains und Marie Laurencins, Picassos
und Braques, mit Hülfe der halb kunstgewerblichen
Formen- und Farbenspiele Paul Klees, der überbunt
kolorierten, übermäßig vergrößerten, ideenhaften
Illustrationen Dawringhausens, mit Hülfe von
Böckstiegels Kraßheiten und eines von Archipenko
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