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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 11
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liehen über eine anschauliche, im besten Sinne populär ge-
haltene Darlegung der äußeren Voraussetzungen von Holbcins
Kunst und Schaffen nicht hinausgegangen. In dem Rahmen,
der ihm gegönnt war, konnte er den Graphiker Holbein
seinem Leser ungleich näherrücken, als den Maler, da die
Wiedergabe der Holzschnitte und Zeichnungen viel eher
in den Möglichkeiten dieser Kunstbreviere liegt, als die der
Gemälde, die ja gerade bei Holbein selbst in den vorzüg-
li listen Wiedergaben unverhältnismäßig einbüßen. Das Bild
des genialen Graphikers und namentlich auch des kunst-
gewerblichen Entwerfers steht plastisch vor uns in seinem
Doppelsinn einer durchaus volkstümlichen und zugleich un-
nahbar aristokratischen Erscheinung. Der Maler, bei dem
das letztere Element mit zunehmenden Jahren sich immer
edler sublimiert, tritt weniger unmittelbar hervor, doch er-
möglichten wenigstens die vorbereitenden Bildnisstudien,
dieser unvergleichliste Schatz der Kgl. Bibliothek in Windsor,
auch hier dem Leser durch die Abbildungen annähernd
adäquate Eindrücke zu übermitteln.

Dem Verläge, der sich mit der Herausgabe so hübscher,
auch textlich gediegener Bücher verdient macht, möchte man
anempfehlen, sich eines Signets zu bedienen, das an künst-
lerischen Wert dem Gehalt dieser Publikationen etwas besser
entspricht, als der klägliche Flügelrappe, der jetzt die Titel-
blätter verunziert. R. Oldenbourg.

Lucas Cranach von Curt Glaser. Band I der
„Deutschen Meister", herausgegeben von Karl Scheffler
und Curt Glaser, Leipzig, Inselverlag.

Diese Cranachmonographie war nicht überflüssig. Wer
sich vorher genauer mit dem Meister befassen wollte, mußte
eine verstreute Literatur durcharbeiten, da entscheidende
Entdeckungen in den letzten Jahrzehnten gemacht worden
waren. Schon das also wäre ein Verdienst gewesen, wenn
nur das Material zusammengestellt worden wäre; hier aber
ist das gesamte Schaffen Cranachs zu einem geschlossenen
Bilde verarbeitet worden. Die Kunst Cranachs steckt voller
Probleme, und Glaser hat sie gelöst oder doch ihrer Lösung
entgegen gebracht, indem er sie formulierte. Der erste An-
fang Cranachs ist noch heute ein Fragezeichen. Die vor-
handenen Werke zerfallen stilistisch in Gruppen, deren
Verbindung lose, selbst, rätselhaft erscheint, und so mußte
die innere Notwendigkeit des Übergangs von einer zur
anderen Stilphase erwiesen werden. Schließlich waren aber
die Wertakzente einer Revision zu unterziehen. Seit durch
glückliche Funde eine Anzahl kraftgenialischer, brausender
Werke des jungen Cranach zusammengestellt waren, galt
der späte Cranach, an dem doch der Ruhm durch Jahr-
hunderte allein hing, nur noch als ein biederer, in hand-
werklicher Massenproduktion sich ausgebender Philister.
Hier nun ist wieder ein Fall, wo sich zur Evidenz bringen
läßt, daß Kunstgeschichte und Kunst parallel gehen: Beiden

gilt heute das Streben nach Naturwahrheit nicht mehr als
künstlerischer Wertmesser. Für Cranachs Beurteilung be-
deutet solch neue Einsicht, daß die künstlerischen An-
schauungen, die sich in seinem späten Manierismus nieder-
schlugen, heute mit anderen Augen gesehen werden.

Cranach, rund dreißigjährig, taucht zuerst im Kreise des
sogenannten Donaustils auf. Glasers Hinweis, daß diese Stil-
erscheinimg nicht lokal begrenzt, sondern mehr eine allgemein
zeitliche Stilform sei, scheint auch mir entscheidend. Ob
sich aber diese generelle Sturm- und Drangzeit allein aus
der bayrischen Kunst Pollaks herleitet, ist doch wohl vor-
schnell geschlossen. Mit dem Katharinenaltar von 1506
nach der Ubersiedlung an den Hof Friedrichs des Weisen
in Wittenberg tut sich in den Werken gegen früher eine
Kluft auf, die Glaser mit dem Hinweis überbrückt, daß auch
diese Werke nicht rein der Leidenschaft, sondern künstle-
rischer Einsicht und Bewußtheit entsprangen. Einfacher sind
die Wandlungen nach der niederländischen Reise 1508 zu
begründen, die im Annen-Altar 1509 in Frankfurt zu dem
Streben nach romanischer Klarheit im Raumaufbau und
klangvoller Rhythmik führen. Damals horchte Cranach auf
die Musik Lionardos und Venedigs, die in seinen Werken
dieser Zeit leise wiederklingt. Doch bewahrte ihn knorrige
Eigenart vor schwächlicher Nachahmung; vielmehr bildet
sich in den gleichen Jahren bis 1520 sein neues Schönheits-
ideal heraus. Die Untersuchung über den Spätstil Cranachs
ist unzweifelhaft das interessanteste Kapitel in Glasers Buch,
da hier die neue Wertung einsetzt. Dieser Manierismus
wird nicht mehr abgelehnt, weil die Formanschauung das
Naturbild vernachlässigt, sondern als eine bewußte Stilisierung
erkannt, die eine Rückkehr zur gotischen Tradition bedeutet,
wofür eine Fülle aufschlußreicher Vergleiche gegeben wird.
Die dabei erwähnte schraubenförmige Drehung der Pfeiler
in Annaberg ist wohl ein lapsus memoriae. Die Pfeiler sind
grade, nur die Rippenendigungen vertauchen schräg im
Pfeilerstamm.

Die Einteilung der Monographie zerreißt nicht die organi-
sche Einheit von Leben und Stil, und die Charakteristik der
mannhaften Persönlichkeit Cranachs in ihrer Stellung zur
Reformation und zum sächsischen Hofe gewinnt mit jedem
Kapitel an Kraft und Farbe. Dagegen ist Glaser den Schwierig
keiten in der Behandlung der Werkstatt Cranachs mehr
ausgewichen, als daß er sie geklärt hätte. Die dunkelste
Frage bleibt die Tätigkeit des Hans Cranach, den Glaser
nur als Maler erwä int, während vielleicht aus der Unter-
suchung der Holzschnitte hier noch eher Aufschluß zu holen
wäre. Mit dieser Arbeit Glasers, die der Inselverlag in
mustergültiger Weise ausgestattet hat, wird verheißungsvoll
eine neue Monographienreihe eröffnet, die den Reichtum
Deutscher Kunst, vorzüglich des späten Mittelalters, zu neuem
lebendigen Besitz bringen will.

Gerstenberg.

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