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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 1/2
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Deutung der "Judenbraut"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0031

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REMBRANDT, TOBIAS UND SARA. (TITUS UND MAGDALENA VAN LOO.) abb. i

amsterdam, rijksmuseum

DEUTUNG DER „ J U D E N B R A U T"

VO N

WILHELM R. VALENTINER

Das Rätsel der „Judenbraut" ist unergründlich
wie das der Mona Lisa und der Mediceegräber,
unergründlich wie das Mysterium des Lebens selbst,
das die Schöpfer dieser Werke in begnadeten Augen-
blicken ihres Künstlertumes darstellten. Ganz nahe
und ganz ferne erscheinen uns die beiden Gestalten,
die ein zwingendes Gefühl zueinander bindet.
Zaudernd und scheu legt der Mann die Hand auf
ihre Brust, leise zustimmend berührt die Frau seine
Finger, in stummer Geste fragen beide: Ist ein
Zusammenschluß der Wesen möglich?

In schwerer Fülle des Lebens stehen sie vor uns,
greifbar in allen Eigenheiten ihrer Persönlichkeit,

Jan Veth gewidmet

aber schon haben die Gedanken sie hinausgehoben
und im Fluß ist die zueinander strömende Be-
wegung erstarrt: der umwobene Blick des Mannes
träumt in seinen eigenen Welten und nur aus weiten
Fernen tönt sanft das Lächeln der Frau herüber.

Voller Klarheit strahlt der äußere Schein, der
herrlich brokatne Mantel, das bauschige, rotseidene
Kleid, die Perlenketten und Ohrgehänge. Alle
Weltlichkeit, alle Wirklichkeit ist über diese Erden-
kinder ausgegossen. Aber je näher die Wirklich-
keit an uns herantritt, um so ferner und wunder-
barer erscheint sie uns. Dies sind keine Stoffe
mehr: Ströme lauteren Goldes brechen hernieder,

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