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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 1/2
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Deutung der "Judenbraut"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0032

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REMBRANDT, FEDERZEICHNUNG, abb. 2

im holländischen kunsthandel

duftige, rötliche Abendnebel schlagen wie Wogen
um die Gestalten, ein Rausch von leuchtendem
Glanz erhöht den Mann, aus Wolken warmer Töne
strahlt die Liebe der Frau. Sind dies noch wirk-
liche Menschen, die in solchem Strahlenglanze
leben?

Mit hellem Bewußtsein faßt hier ein alternder
Meister seine Lebenserfahrung zusammen: alles
Leben ein schöner Schein, alles Leben Jenseitigkeit
im fremden Gewände. —

Immer wieder hat es die Freunde Rembrandts
gereizt, nachzuforschen, was die Komposition der
„Judenbraut" bedeuten könnte. Ob sie als Bildnis
oder als historische Szene oder als Darstellung all-
gemeinen Inhaltes gedacht war. Gewiß, wenn
irgendwo in der Kunst, so ist hier das Gegen-
ständliche unwesentlich. Auch der Fernstehende
ahnt, daß hier mehr als Bildnis, mehr als Gegen-
stand gegeben ward, daß hier eine geheimnisvolle
Welt in die Gegenwart hereingebrochen ist. Aber
doch wissen wir, daß Rembrandt mit dem starken
Realitätsgehalt seiner Kunst mehr wie irgendeiner

aus den einfach gegenständlichen Motiven seiner
Umgebung seine hohen Ideen erzeugte. So lockt
es, wenn möglich, seinen Gedankengängen von
Anfang an nachzugehen, indem wir im stillen
hoffen: wenn wir den Ausgangspunkt gefunden
haben, dürften wir den Weg noch einmal mit ihm
wandeln, den Weg, der ihn zu dem Wunderbaren
führte. Trügerische Hoffnung 1 Im Augenblick,
als der Künstler sich zum Flug ins Reich des Un-
wirklichen erhebt, läßt er sogleich alles Irdische,
das Persönliche wie das Stoffliche, hinter sich,
und nicht mehr mit den Begriffen der Vernunft,
nur ahnend noch, vermögen wir Nachlebenden
ihm nachzufolgen.

Selten hat ein Meisterwerk so viele verschiedene
Deutungen erfahren wie die „Judenbraut", ein Be-
weis, wie vielfältig die Anregungen sind, die diese
Schöpfung ausströmt. In der ersten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts faßte man die Kompo-
sition, dem Sinne der Zeit gemäß, als Genreszene
auf. Smith, der bekannte englische Kunsthändler
und Kunstkenner, der das Bild selbst eine Zeitlang

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