P. PRUD'HON, BILDNIS M. ETIENNE FRANOIS
eine Kühnheit des Vortrags auf, die Goya vor
seiner großen, durch die Krankheit hervorgerufenen
Wandlung, unbekannt war, sondern die Wieder-
gabe aller Einzelheiten, und vor allem die neue
farbige Haltung lassen das Bild noch gereifter, noch
moderner erscheinen, als die im übrigen etwas
verwandten Gestalten von S. Antonio de la Florida
aus dem Jahre 1798. Ich glaube um so mehr, daß
eine gewisse Spanne Zeit zwischen der Entstehung
der beiden Majas liegt, als auch der Kopf der be-
kleideten Maja mir nicht jene Unmittelbarkeit der
porträtmäßigen Naturaufnahme aufzuweisen scheint,
als der Kopf der nackten. Was Einzelheiten der Unter-
schiede anlangt, so verweise ich darauf, daß bei
ganz gleichem Größenmaße der Bilder das Körper-
chen der nackten Maja gerade im Vergleich zu
der bekleideten puppenhafter, rokokomäßiger wirkt,
weit weniger die Bildfläche ausfüllt, indem das Ge-
mälde sowohl oben wie auch rechts mehr Raum auf-
weist, und das Figürchen so gewissermaßen mehr
zu „schwimmen" scheint. Man beachte vor allem
auch den Unterschied in der Wiedergabe des Spitzen-
werks der Kissen, in der Durchführung des Lakens,
in der Behandlung der Schatten und nicht zuletzt
in der Malerei der Haare.
Mit etwas mehr Wahrscheinlichkeit als mit der
Herzogin von Alba könnte man die Majabilder
mit jenem ganzfigurigen Porträt in Zusammenhang
bringen, das charakteristischerweise im Laufe des
letzten Jahrhunderts bald den Titel „Angebliches
Porträt der Herzogin von Alba", bald die Bezeich-
nung „Die Maitresse Goyas" geführt hat. Dieses 1799
135
eine Kühnheit des Vortrags auf, die Goya vor
seiner großen, durch die Krankheit hervorgerufenen
Wandlung, unbekannt war, sondern die Wieder-
gabe aller Einzelheiten, und vor allem die neue
farbige Haltung lassen das Bild noch gereifter, noch
moderner erscheinen, als die im übrigen etwas
verwandten Gestalten von S. Antonio de la Florida
aus dem Jahre 1798. Ich glaube um so mehr, daß
eine gewisse Spanne Zeit zwischen der Entstehung
der beiden Majas liegt, als auch der Kopf der be-
kleideten Maja mir nicht jene Unmittelbarkeit der
porträtmäßigen Naturaufnahme aufzuweisen scheint,
als der Kopf der nackten. Was Einzelheiten der Unter-
schiede anlangt, so verweise ich darauf, daß bei
ganz gleichem Größenmaße der Bilder das Körper-
chen der nackten Maja gerade im Vergleich zu
der bekleideten puppenhafter, rokokomäßiger wirkt,
weit weniger die Bildfläche ausfüllt, indem das Ge-
mälde sowohl oben wie auch rechts mehr Raum auf-
weist, und das Figürchen so gewissermaßen mehr
zu „schwimmen" scheint. Man beachte vor allem
auch den Unterschied in der Wiedergabe des Spitzen-
werks der Kissen, in der Durchführung des Lakens,
in der Behandlung der Schatten und nicht zuletzt
in der Malerei der Haare.
Mit etwas mehr Wahrscheinlichkeit als mit der
Herzogin von Alba könnte man die Majabilder
mit jenem ganzfigurigen Porträt in Zusammenhang
bringen, das charakteristischerweise im Laufe des
letzten Jahrhunderts bald den Titel „Angebliches
Porträt der Herzogin von Alba", bald die Bezeich-
nung „Die Maitresse Goyas" geführt hat. Dieses 1799
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