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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 9
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Scheffler, Karl: Renée Sintenis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0276

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Expressionismus und wohlgeschultem Klassizismus.
Die Fohlen haben sehr lange Beine und stehen
grätschig da, wie kleine Komiker; doch ist eben
dadurch das Fohlenhafte gut zum Ausdruck ge-
kommen. Ein Vorzug ist, daß die Künstlerin nie
ins Kunstgewerbliche gerät. Sie bleibt lieber primi-
tiv, als daß sie ornamental wird. Ihr entschiedener
Sinn für die Materie, für das Leben der Ober-
fläche, für das Rauhe, Glatte, Weiche und Harte,
für das Animale und Unschuldige der Kreatur be-
wahrt sie vor dem Kunstgewerblichen.

In neuerer Zeit hat Renee Sintenis auch Bild-
nisse modelliert: ein Selbstbildnis, Porträts von
Ringelnatz, Siemsen und anderen. Auch diese
Köpfe haben ihre Qualitäten, besonders von dem
Selbstbildnis ist viel Gutes zu sagen; doch greift
die Künstlerin damit schon ein wenig über ihre
Anlage hinaus. Ist es ihr doch auch versagt, die
menschliche Vollfigur zu bilden, ohne ins Aka-

demische zu geraten. In den Bildnissen ist ein
geistvolles Verständnis; die Form läßt jedoch den un-
sentimentalen, herben Charme, sie läßt die instink-
tive Sicherheit vermissen. Die Köpfe sind male-
rischer als die Tiere modelliert, sie sind nicht so
plastisch gesehen, es fehlt ein genügend starker
Sinn für die Flächen. Jedes Bildnis ist ja ein
Problem. Man kann einen Kopf nicht modellieren,
kann ihn nicht „richtig" abschneiden und auf den
Sockel stellen, ohne die halbe Kunstgeschichte —
und sei es unbewußt — im Blut zu haben. Der
Vorzug Renee Sintenis' ist aber, daß sie nur eben
soviel Kunstgeschichte im Blut hat, um tun zu
können, was ihr Spaß macht. Dieser Mangel an
Ehrgeiz ist ihr Vorzug. Die Naivität des Arbei-
tens erhält ihren Tieren die Unschuld und gibt
ihren anspruchslosen Arbeiten einen Zug des Klein-
meisterlichen.

Karl SchefTler.

RENEE SINTENIS, REHGRUPPE. BRONZE

MIT ERLAUBNIS DER GALERIE A. FLECHTHEIM, BERLIN

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