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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 10
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Andrae, Walter: Baalbek
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0312

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diesen Riesenkult in einer von ihm neugegrün-
deten Kolonie einzusetzen? Man hat im ersten
und zweiten Jahrhundert viele Jahrzehnte lang an
den Heiligtümern geschafft und ist nie ganz zur
Vollendung gekommen. Römische Staatskunst
allein trieb sicherlich nicht für so lange Dauer
zu einer solchen Anspannung vieler Kräfte.
Die Macht dieses Jupiter und seiner Priester-
schaft auf die Menschen muß außerordentlich ge-
wesen sein.

Höchst merkwürdig, wie verschollen Helio-
polis für uns ist! Die antike Literatur schweigt
fast völlig davon, und die deutschen Ausgrabungen
haben nichts Wesentliches zur Geschichte hinzu-
gewonnen. Olympias, Delphis, Didymas Ruinen
sind redselig, tausenderlei wird über die Heilig-
tümer und das flutende griechische Leben darin
berichtet. Heliopolis ist fast stumm. Wir wissen
nicht, was für Menschen hier zusammenströmten
und wie ihr Kult vor sich ging. Nur das Allge-
meinste sagen die Ruinen selbst: sicherlich wurden
hier Feste gefeiert und Massenopfer dargebracht.
Menschenmengen sind zusammengeströmt und
gaben dem Wald der Säulenriesen erst ihren Maß-
stab, wie das Gewimmel der Pilger den Hallen
von St. Peter in Rom. Breite Freitreppen führten
zu den beiden großen Tempeln empor, und mitten
vor ihnen erhoben sich Altarbauten, die man mit
Treppen ersteigen konnte. Hier, mitten vor den
ernsten Giebelfronten, stieg die Rauchsäule des
Opfers zum blauen Himmel, droben im Giebel
öffnete sich am Hauptfeste die Tür, und die Er-
scheinung des Gottes in den zauberhaften Strahlen
der Morgensonne zwang die Versammelten zur
Anbetung.

Aber nicht jeder Tag ist ein Festtag. Was ge-
schah sonst hier? Lebten hier Lehren, gab es
hier Schulen? Oder lag die Pracht dieser Hallen
kalt, leer und stumm, wenn die Feste verrauscht
waren? Wir wissen es nicht. Wir ahnen nur, daß
starke Kräfte am Werke waren. Das haben die
deutschen Ausgrabungen nun noch eindringlicher
gemacht. Wer nach ihnen kam, genoß zwar nicht
mehr die malerische Verschüttung und die ein-
same Verwahrlosung, dafür um so mehr die Größe
der Architektur, die vorher arg beeinträchtigt war.

Dann kam die schwere Aufgabe, das Neugewonnene
mitzuteilen. Kann man solche Größe in ein
Buch, auf handliche Tafeln zusammenpressen, und
dem, der sie nicht sah, auch nur einen Teil des
überwältigenden Eindrucks übermitteln? Wie sich
gewisse weite Landschaften nur im Riesenformat
darstellen lassen, so wirken auf mich nur die
allergrößten Bilder von Baalbek so wie sie sollen,
nämlich riesig. Es gehört eine große künstlerische
Kraft dazu, den aufgezwungenen kleinen Maßstab
des Buches zu sprengen. Das ist von den Mit-
arbeitern an der Veröffentlichung, die bei W. de
Gruyter & Co. erschienen ist, dem Architekten
D. Krencker, gelungen, mit einfachen sauberen
Linienzeichnungen des Bacchustempels. Auch die
photographischen Abbildungen zeugen zu einem
guten Teil von der Größe. Die wundervollen
Originalaufnahmen der Meßbildanstalt, die v. Lüpke
verdankt werden, sind hier vom Herausgeber
Th. Wiegand verwendet. Ein Genuß für jeden,
der ihre schönen Vergrößerungen kennt, die von
der Anstalt hergestellt und im Handel zu haben
sind. Das wäre der richtige Maßstab der mit-
teilenden Abbildung für Baalbek. Aber quadrat-
metergroße Bücher und Mappen sind ein Unding.
Wir müssen verzichten und unsere ganze Vor-
stellungskraft spielen lassen, wenn wir eine Ver-
öffentlichung von Baalbek ausschöpfend genießen
wollen. Beide Bände der Baalbek-Veröffentlichung,
die im vorigen und vorvorigen Jahre erschienen
sind, werden dann viel mehr sein, als treue, ge-
naue und endgültige Führer, sie werden dem
schaffenden Künstler ein heißer Ansporn des
Willens zum Großen, dem kunstsinnigen Be-
trachter ein erhebender Genuß des Großen sein;
und das kann beiden in der heutigen klein-
mütigen Zeit nicht schaden. Den Glücklichen,
die Baalbek geschaut haben, erwecken diese Bände
alle Erinnerungsschauer eines gewaltigen Erleb-
nisses, und die, denen es nicht beschieden war,
mögen sichs zum Ziel setzen. Soweit sie Deutsche
sind, wird es wohl noch auf lange hinaus nur
ihr frommer Wunsch bleiben müssen, und die
buchtechnisch hervorragend schöne Veröffent-
lichung wird ihnen bis zu jener künftigen Reise
das Urbild ersetzen.

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