Trebia: 1. Die Kontroverse.
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Die Bewegungen Hannibals stellen sie sich dagegen nicht alle
gleich vor. Die meisten von ihnen setzen das erste Lager Hannibals
nach Pontenure 9 Kilometer südöstlich von Placentia und lassen ihn
dahin durch eine Umgehung der Römer gelangen, indem sie entweder
annehmen, Hannibal habe den Po unterhalb Placentia überschritten
— so Niebuhr — oder indem sie vermuten, er sei nach der Überschreitung Nietmhr.
des Flusses oberhalb der Stadt südlich um die Römer herummarschiert.
So Macdougall und die übrigen Forscher. Der Zweck dieser Um- Macdougaii.
gehungen rechts oder links herum sei gewesen, sich zwischen Scipio und
den von Ariminum her zu erwartenden Sempronius zu werfen und so
die Vereinigung beider zu hindern. Es sei ein „brillantes Manöver"
Hannibals. vergleichbar dem Verfahren Napoleons im Jahre 1796, als
er sich zwischen Beaulieu und Colli drängte, um sie zu trennen.
Als dann Scipio seine Stellung bei Rivaita eingenommen habe,
hätte Hannibal eine rückgängige Bewegung bis Settima gemacht.
Sempronius habe sich dann trotzdem mit Scipio vereinigt und so sei es
zur Schlacht in der Nähe von Settima gekommen.
Anders hat Grundv die Bewegungen Hannibals zu rekonstruieren Gmndy.
versucht. Er legt das erste Lager der Karthager nicht nach Pontenure
südöstlich, sondern nach Rottofreno 9 Kilometer westlich von Placentia
und läßt dann den Hannibal von da aus ebenfalls nach Settima
these sich mit vollem Rechte auf Livius berufen können. Er legt das erste Lager
auf das rechte, folglich das zweite auf das linke, und die Scblacbt wieder auf das
rechte Ufer. — Vergebens hat Fuchs S. 97 diese Interpretation des Livius ange-
fochten. Er behauptet, pervenire mit dem Akkusativ einer Stadt brauche nicht zu
bedeuten, daß der Betreffende in die Stadt selber hineingekommen sei, er brauche
nur in den Bereich der Stadt gekommen zu sein, und so könne auch nach Livius das
erste Lager Scipios auf dem linken Ufer der Trebia, — d. h. mindestens etwa 4 km
von der Stadt entfernt — gelegen haben. Damit würde dann die ganze Uferfrage
bei Livius in ihr Gegenteil verkehrt und Livius für die entgegengesetzte Ansicht
reklamiert werden. Diese Interpretation von pervenire ist aber in unserem Falle
nicht zulässig. Denn Livius gibt später 47,8 die Notiz: Hannibal paucis post diebus
sex milia a Placentia castra communivit et postero die in conspectu hostium acie
derecta potestatem pugnae fecit. Nun ist aberdies Lager Hannibals in dem Parallelbericht
des Polybios (III, 66, 11) 50 Stadien = sechs Milben von dem Lager Scipios ent-
fernt. Folglich hat Livius das Lager der Römer in unmittelbarster Nähe von
Placentia, d.h. auf dem rechten Ufer des Flusses angenommen. Über die unmög-
liche Interpretation, mit der Fuchs sich seiner Theorie entsprechend über die weitere
Schwierigkeit von Scipios Rückzug nach Placentia hinwegzuhelfen sucht, s. unten
S. 76, A. 2. — Man vergleiche die zusammenhängende Darstellung des Livius in der
Übersetzung im Anhange zu dieser Untersuchung S. 79 ff.
4 *
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Die Bewegungen Hannibals stellen sie sich dagegen nicht alle
gleich vor. Die meisten von ihnen setzen das erste Lager Hannibals
nach Pontenure 9 Kilometer südöstlich von Placentia und lassen ihn
dahin durch eine Umgehung der Römer gelangen, indem sie entweder
annehmen, Hannibal habe den Po unterhalb Placentia überschritten
— so Niebuhr — oder indem sie vermuten, er sei nach der Überschreitung Nietmhr.
des Flusses oberhalb der Stadt südlich um die Römer herummarschiert.
So Macdougall und die übrigen Forscher. Der Zweck dieser Um- Macdougaii.
gehungen rechts oder links herum sei gewesen, sich zwischen Scipio und
den von Ariminum her zu erwartenden Sempronius zu werfen und so
die Vereinigung beider zu hindern. Es sei ein „brillantes Manöver"
Hannibals. vergleichbar dem Verfahren Napoleons im Jahre 1796, als
er sich zwischen Beaulieu und Colli drängte, um sie zu trennen.
Als dann Scipio seine Stellung bei Rivaita eingenommen habe,
hätte Hannibal eine rückgängige Bewegung bis Settima gemacht.
Sempronius habe sich dann trotzdem mit Scipio vereinigt und so sei es
zur Schlacht in der Nähe von Settima gekommen.
Anders hat Grundv die Bewegungen Hannibals zu rekonstruieren Gmndy.
versucht. Er legt das erste Lager der Karthager nicht nach Pontenure
südöstlich, sondern nach Rottofreno 9 Kilometer westlich von Placentia
und läßt dann den Hannibal von da aus ebenfalls nach Settima
these sich mit vollem Rechte auf Livius berufen können. Er legt das erste Lager
auf das rechte, folglich das zweite auf das linke, und die Scblacbt wieder auf das
rechte Ufer. — Vergebens hat Fuchs S. 97 diese Interpretation des Livius ange-
fochten. Er behauptet, pervenire mit dem Akkusativ einer Stadt brauche nicht zu
bedeuten, daß der Betreffende in die Stadt selber hineingekommen sei, er brauche
nur in den Bereich der Stadt gekommen zu sein, und so könne auch nach Livius das
erste Lager Scipios auf dem linken Ufer der Trebia, — d. h. mindestens etwa 4 km
von der Stadt entfernt — gelegen haben. Damit würde dann die ganze Uferfrage
bei Livius in ihr Gegenteil verkehrt und Livius für die entgegengesetzte Ansicht
reklamiert werden. Diese Interpretation von pervenire ist aber in unserem Falle
nicht zulässig. Denn Livius gibt später 47,8 die Notiz: Hannibal paucis post diebus
sex milia a Placentia castra communivit et postero die in conspectu hostium acie
derecta potestatem pugnae fecit. Nun ist aberdies Lager Hannibals in dem Parallelbericht
des Polybios (III, 66, 11) 50 Stadien = sechs Milben von dem Lager Scipios ent-
fernt. Folglich hat Livius das Lager der Römer in unmittelbarster Nähe von
Placentia, d.h. auf dem rechten Ufer des Flusses angenommen. Über die unmög-
liche Interpretation, mit der Fuchs sich seiner Theorie entsprechend über die weitere
Schwierigkeit von Scipios Rückzug nach Placentia hinwegzuhelfen sucht, s. unten
S. 76, A. 2. — Man vergleiche die zusammenhängende Darstellung des Livius in der
Übersetzung im Anhange zu dieser Untersuchung S. 79 ff.
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