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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Grautoff, Otto: Franz Ringer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0022

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Franz Ringer.

22. Geschäftswagen; Entwurf der Bemalung von
Franz Ringer, München.

bescheidene Standuhr und das geschickt komponierte
Wandseuerzeug, beides aus Schmiedeeisen, gefallen
durch ihre anspruchslose, praktische und aninutige
Formengebung; individueller und phantasievoller ist
ein Lüster für Gasglühlicht erfunden; noch reicher
und mit einem breiten Reisen floraler und animaler
Ornamentik ist der prunkvolle Lüster in Eisen und
Messing für elektrisches Licht entworfen (Abb. 30).
Der pumor des Künstlers spricht sich in zwei drob
ligen, schmiedeeisernen pandleuchtern aus, die aller-
dings wohl insofern nicht sehr praktisch gebaut sind,
daß das hinabträufelnde Wachs jedenfalls den ganzen
Leuchter verunzieren wird (Abb. 27 uitd 28). — Für
das Modewarengeschäft von Otto Landauer in
Münchei: schmückte der Künstler in geschickter Weise
einen Geschästswagen nrit linearen Ornamenten; es
ist nur zu bedauern, daß die Form des Wagens
gar so konventionell geblieben ist (s. oben).

Bedeutsamer als diese Arbeiten erscheinen seine
Möbelentwürfe und seine Zimmereinrichtungen, die
eigentlich erst im vollsten Mäße; die Worte recht- j
fertigen, die am Eingang dieses Aufsatzes über feine
kunstgewerblichen Bestrebungen und Ziele gesagt
wurden. Franz Ringer darf sich glücklich schätzen
einer Schreinerfamilie entsprossen zu fein. Wäre er
nicht in diesem Gewerbe groß geworden, so würde
er wohl schwerlich über eine so genaue Material-
kenntnis verfügen, wie sie ihn heute auszeichnet; und
seine ganz individuelle Begabung mit erstaunlich
wenigen Mitteln Geschmackvolles und Schönes zu
erreichen, hätte sich auch kaum so bedeutend ent-

wickeln können. Die Trinkstube im Gasthause „Zberl"
in Solln ist hierfür ein beredtes Zeugnis; die Ein-
richtung und teilweise Täfelung ist ganz schlicht
bürgerlich gehalten ohne alle Extravaganzen, ebenso
die Stühle, Tische, Schränke, einfach, solide und be-
quem. Schon an den Abbildungen (33 und 3H)
können wir erkennen, welcher heimliche Duft von
Traulichkeit und Gemütlichkeit den Gast umfängt,
der diesen Raum betritt. And ist das nicht ein
hohes Lob?

Gerade dadurch, daß unsere modernen Künstler
die schwere Aufgabe erfüllen mit wenigen Mitteln und
zu billigem Preise behagliche Räume zu schaffen, wird
künstlerisches Empfinden und Geschmack in den Mittel-
stand und in die kleinbürgerlichen Kreise getragen.
Als das Vorbild einer freundlichen, künstlerisch kom-
ponierten und gearbeiteten Bürgerwohnung darf in
gewissem Sinne, wenn sie in manchen Stücken ihrer
Ausgestaltung auch noch entgegensieht, des Künstlers
eigene Wohnung gelten. Überall nehmen wir an
der Gesamteinrichtung wie an den einzelnen Möbeln
den gesund entwickelten Sinn für Zweckmäßigkeit
wahr. Die Bettlade ist breit, schwer und gemütlich
aus schönem Lärchenholz gearbeitet und an der
Schmalseite mit hübschen Flachornamenten verziert.
Desgleichen der Waschtisch breit und geräumig, aber
doch edel in seinen Maßen. Das farbig bemalte
Flächenornament in den mannigfaltigsten Motiven
und in kräftigem Schnitt ist feine Lieblingsart die
Möbel zu dekorieren; sie ist ja auch leicht und billig
zu erreichen (Abb. 33—^5). Durch alle feine Möbel-
entwürfe geht ein gesund bäurischer und derber, ger-
manischer Zug, der durch humoristische und zarte,
gemütvolle Einfälle oft lieblich gemildert wird. Da
sind die schlichten, kräftig gebauten Schränke, die er
für die neue Schule am Kirchstein in paidhaufen
entwarf und prächtig bemalte (Abb. ^6—H8): der
Kleiderschrank, den er mit steifgraziösen, innig em-
pfundenen Kostümfiguren, weiß auf rotem Grunde,
bemalte; in derselben prächtigen Weise, die jedes
Kindergemüt erfreuen wird, schuf er noch drei wei-
tere Schränke, die in demselben Gebäude aufgestellt
sind. Diesen Arbeiten stellen sich weitere für eine
Villa in Graudenz und für das potel „Der bayrische
k)of" in Zmmenstadt zur Seite (Abb. 4$—5s, 57
und 58); ferner die entzückenden, farbenfrohen Stu-
dien für ein Treppenhaus, wo auf den verschiedenen
Treppenabsätzen unter bunt blühenden oder früchte-
beladenen Bäumen die Religiosität, die Arbeitsam-
keit, die Spiellust und der Fleiß allegorisch dar-
gestellt sind (Abb. 52—56); es ist schade, daß diese
sinnigen Studien, die ebenfalls für das genannte
Haidhausener Schulhaus bestimmt waren, nicht aus-

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