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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Ebe, Gustav: Neubildungen im Bereiche der Baugliederungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0084

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Neubildungen im Bereiche der Bmigliederungen.

Flachschnitzerei (Motiv: Roßkastanie); Entwurf von kp Airchmayr,
Wilten-Insbruck.

der aus einem Stabbündel kreuzförmig zusammen-
gefügte Querschnitt einer Säulenart andeutet. Kon
struktiv genommen wurden die ägyptischen Säulen
meist aus kleinen Steinen aufgenrauert und mit einem
bemalten Stuckmantel umhüllt. An den Kapitellen
mischt sich das Symbolische der heiligen Lotuspflanze
mit ästhetisch Ausdrucksvollem. Das Lotuskapitell
ist, wie ebenfalls aus den Malereien hervorgeht,
bei denen die Lotusblüte oft frei über dem polz-
fchafte schwebend erscheint, nur eine Bekrönungsform,

da die Säule selbst aus dem
freiendigenden Pfosten, der Zelt-
stange hervorgegangen ist. Auch
bei der Steinsäule behält das
Kapitell denselben Charakter des
unbelasteten Ausblühens, da der
dem Querschnitte des Schafts
entsprechende Steinwürsel allein,
ohne Beihilfe des Kapitells, die
Last des darauf ruhenden Stein-
balkens ausnimmt. Cs ist nicht
weiter erforderlich, hier näher auf
die verschiedenen Arten des ägyp-
tischen Säulenkapitells einzu-
gehen ; es genügt in denselben
das Borbild der späteren griechisch-
korinthischen Form zu erkennen.
Übrigens bildet sich im Ägyp-
tischen kein fester Kanon für die
Säulenordnungen, vielmehr kom-
men die verschiedenen Bildungen
an demselben Monument und
sogar in demselben Raume zur
Anwendung. Der ägyptische
Lotus-Bolutenkelch deutet bereits
auf das ionische Kapitell hin,
obgleich dasselbe noch nicht vor-
handen ist.

Zn Thaldäa ist die Steinsäule
nicht aufgefunden; falls sie vor-
handen war, so dürfte sie wie
in Ägypten dem Polzpsosten des
Zeltgerüstes nachgebildet gewesen
sein, wie solches auf einem Stein-
relief erhalten ist; hier zeigen
Basis und "Kapitell der abgebil-
deten Pfosten die Volutenform.
Cine ausgefundene assyrische
Steinsäule ist mit einem Korb-
kapitelle versehen. Die assyrischen
Säulenstellungen im oberen Teil
der Fassaden, die wir nur aus
Reliefs kennen, zeigen Kapitelle
mit einfachen oder verdoppelten Bolutenpaaren; ver-
mutlich waren die Vorbilder mit Metallblech be-
kleidete Holzfäulen, welche eine Uberdeckung von
Holzbalken trugen. Tin Zusammenhang der Kapitell-
voluten mit dem ägyptischen nach unten gerollten
Lotuskelch ist nicht abzuweisen, wenn man nicht eine
mit der ägyptischen mindestens gleichzeitige Ableitung
von einer chaldäifchen Urform annehmen will.
Jedenfalls ging auch in den Cuphratländern die
Holzfäule der Steinsäule voran. Eigentliche Vorstufen
 
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