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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Erinnerungen an Nikolaus Gysis
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0110

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Erinnerung an Nikolaus Gysis.

>67. Statuette. Skizze von f N. Gysis.
(Ungefähr 2/s der wirkl. Gr.)

Resultaten führt. Nur keine gewollte Genialität! Sie
baut sich auf über dem gering ausgebildeten Rönnen,
ist Romödiantentum im schlimmsten Sinne. Wenn
das Wort „Ehrlich währt am längsten" irgendwo
sich bewahrheitet (im Leben gehört es offenbar zu
den antiquierten Dingen), so ist dies in der Run st
der Fall. Die Ehrlichkeit der Arbeit ist eines der
großen Unterscheidungsmittel zwischen der Runst, die
von Rünstlern, und jener, die von Farceuren, Igno-
ranten und der misera plebs des Standes getrieben
wird. Deswegen ist wirkliche Runst nicht für alle;
das andere Nachwerk hat weitaus mehr Anhänger
und Liebhaber. Das Anschlägen des richtigen Tones
ist Resultat sorgsamer Überlegung. Die Schönheit,
die der menschlichen Erscheinung säbelt man

nicht so ohne weiteres herunter, wie >nan ein Rostüm-
modell herunterpinselt, mit dem Ropf angefangen,
mit den Stiefeln aufgehört. Das sind Dinge, die
nicht zwischen ernste große Gedankenarbeit Hinein-
passen. Entweder sollte man bei Ausstellungen alles
solche Zeug ausschließen oder aber, und das ge-
schieht ja öfter, diesem die heiligen fallen überlassen
und eigentliche Runstwerke nicht zulassen, sondern sie
in Räume verbringen, wo sie jene Wirkung erzielen,
die der Autor in klarer Absicht von Anfang an
ihnen einzuhauchen bestrebt war. Unter Rrethi und
plethi passen sie nicht hinein. Die Ausstellung des
Gysisschen Nachlasses anläßlich der letzten inter-

nationalen Runstausstellung zu Nünchen wirkte ein-
heitlich und groß, weil sie in Räumen untergebracht
war, die von vornherein die Anwesenheit von Aus-
stellungsgut inferiorer Art ausschlossen.

Ein Beispiel dafür, auf welch wohlvorbereiteter
Basis des Rünstlers Arbeit ruhte, ist diesen Zeilen
beigegebcn: „Triumphzug der Bavaria" (Wand-
geinälde im Gewerbemuseum zu Nürnberg)^). Mhne
die Romposition in ihrem edlen Gepräge hier einer
näheren Erörterung zu unterziehen, seien ein paar
handschriftliche Notizen des Neisters erwähnt, die
er sich, ganz abgesehen von den rein sornralen Bor-
studien für das Bild (die sehr zahlreichen Blätter
befinden sich alle in Nürnberg), als Direktiven immer
wieder ins Gedächtnis zurückrief: „Bei der Bavaria
muß ich aufpassen, daß:

s. die Individualität eines jeden Ropfes in
Form, Größe und Ton genau der Bedeutung jeder
Figur entspricht;

2. daß jede Draperie, in den kleinsten Falten
sogar, den Zug nach vorwärts erkennen läßt;

3. daß ich nirgends das von rückwärts ein-
sallende Licht in den Draperien vergesse;

-s. daß die jlchotokiasis beobachtet sei, wie ich
sie öfters früh morgens in der Natur sah: Einfache
Lokaltöne, die nur durch kaum wahrnehmbare
Schatten und Lichtabstufungen modelliert werden;

5. die Schleier stärker zu bewegen als die
Draperien;

6. Stil und Rhythmus:

7. neutrale Töne als Berbindung der farbigen
untereinander;

8. Schwung und Freiheit in der Ausführung;

st. richtige Verteilung von grünen und goldenen

Rränzen, von Blumen, Zweigen, allegorischen Schmuck-
gegenständen, Bändern und Verzierungen.

Zeichnen, Romponieren. Das Schenra. Logische
Schatten und Lichtverteilung. Ganz bestimmte Töne.
Alles das ist absolut notwendig zu meinem Bilde,
aber schwer zu erreichen." Das schrieb er nicht etwa,
angeregt durch theoretische Runstlektüre. Von dieser
hat er nie viel gehalten. Die erleuchtende Flamme
loderte in ihm selbst. Er brauchte sie nicht erst
irgendwoher zu holen. — Wie er zu Werke ging, er-
hellt z. B. aus dem Nnstande, daß er, um die

st Zu diesem Gemälde, das wir gegenüber 5. gs auf
Tafel 3 bringen, geht uns folgende Notiz zu: Das Bild war
als Deckengemälde für den Repräsentationssaal des Bayerischen
Gewerbemuseums zu Nürnberg in Auftrag gegeben worden;
da aber bei der Ablieferung desselben Gysis die Meinung aus-
sprach, es sei ein Wandgemälde geworden, das sich zur An-
bringung an der Decke nicht eigne, so entschloß man sich zur

Aufstellung an einer Saalwand. _ _ ... .

Die Schriftleitung.
 
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