Erinnerung an Nikolaus Gysis.
J68 n. \6<). Statuette, Skizze von f N. Gysis. (Ungefähr 2/3 der wirkt. Gr.)
nötigen Löwenstudien zu machen, für einige Zeit
nach Frankfurt ging, wo der zoologische Garten
geeignete Modelle bot. ZITit dem Photographen-
kasten, dieser modernen Eselsleiter künstlerischer Be-
tätigung, hat er sich nie befaßt. Der studierte
Strich ist mit Bewußtsein gemacht. Beim Photo-
graphieren muß man detn Aasten mehr Sorgfalt
widtnen als dem Gegenstand. Deshalb bringen die
weitaus meisten Berufsphotographen höchst selten
eine wirklich künstlerische Wirkung in ihren Elaboraten
zuwege. Sie kennen die Feinheiten der Beleuchtuitg
nicht, weil Formenstudium und daraus entspringendes
Verständnis für Formenbeleuchtung ihnen ein Buch
mit sieben Siegeln ist.
Die Art, wie Gysis seine Studien zeichnete, hat
etwas einfach Großes. Seine Aktstudien sind nicht
„pikant", er spielte mit der Aohle, diesenr Zauber-
stäbchen künstlerischer Ausdrucksweise, nicht mit allerlei
prickelnde Effekte und Effektchen zu erzielen, obschon er
dies Material in geradezu großartiger Weise zu hand-
haben verstand. Zeichnete er dieselbe Studie zum
zweiten, zum dritten Male, so geschah es nur, der
vervollkommneteren Erscheinung zuliebe. Er schliff
am Edelstein, um ihn immer weiter, immer weiter
von allem zu befreien, was seiner Leuchtkraft, seinem
idealen Wert Eintrag zu tun imstande war. Ebenso
behandelte er sich selbst, sein Leben, seine Lebens-
auffassung, sein Verhältnis zu anderen. Davon nach-
her noch ein Wort.
Eine ganz eigenartige Seite offenbart er in
seinen plastischen Arbeiten. Während die Darstellung
der menschlichen Figur in seinen letzten zeichnerischen
Werken ein immer stärkeres Betonen ruhiger Er-
scheinung offenbart, ist er als Plastiker sofort vom
Grundgesetze des runden Aörpers durchdrungen:
Bewegung der Form als erste Bedingung schöner
Linienentwickelung. Sämtliche Entwürfe sind von
größter Lebendigkeit, das Statuarische ist, der Größe
der Gbjekte entsprechend, durchaus vermieden. Er
wußte genau, welchen Maßstab er innezuhalten
hatte. Das zeigen die hier abgebildeten, in der Größe
nur wenig reduzierten plastischen Arbeiten (Abb. {67
bis \72) deutlich. Sie stellen sich dem Besten solcher
Leistungen, das unsere Zeit hervorgebracht, eben-
bürtig zur Seite und zeigen ein Empfinden für
Linienfluß, zugleich aber auch einen Überschuß von
9s
J68 n. \6<). Statuette, Skizze von f N. Gysis. (Ungefähr 2/3 der wirkt. Gr.)
nötigen Löwenstudien zu machen, für einige Zeit
nach Frankfurt ging, wo der zoologische Garten
geeignete Modelle bot. ZITit dem Photographen-
kasten, dieser modernen Eselsleiter künstlerischer Be-
tätigung, hat er sich nie befaßt. Der studierte
Strich ist mit Bewußtsein gemacht. Beim Photo-
graphieren muß man detn Aasten mehr Sorgfalt
widtnen als dem Gegenstand. Deshalb bringen die
weitaus meisten Berufsphotographen höchst selten
eine wirklich künstlerische Wirkung in ihren Elaboraten
zuwege. Sie kennen die Feinheiten der Beleuchtuitg
nicht, weil Formenstudium und daraus entspringendes
Verständnis für Formenbeleuchtung ihnen ein Buch
mit sieben Siegeln ist.
Die Art, wie Gysis seine Studien zeichnete, hat
etwas einfach Großes. Seine Aktstudien sind nicht
„pikant", er spielte mit der Aohle, diesenr Zauber-
stäbchen künstlerischer Ausdrucksweise, nicht mit allerlei
prickelnde Effekte und Effektchen zu erzielen, obschon er
dies Material in geradezu großartiger Weise zu hand-
haben verstand. Zeichnete er dieselbe Studie zum
zweiten, zum dritten Male, so geschah es nur, der
vervollkommneteren Erscheinung zuliebe. Er schliff
am Edelstein, um ihn immer weiter, immer weiter
von allem zu befreien, was seiner Leuchtkraft, seinem
idealen Wert Eintrag zu tun imstande war. Ebenso
behandelte er sich selbst, sein Leben, seine Lebens-
auffassung, sein Verhältnis zu anderen. Davon nach-
her noch ein Wort.
Eine ganz eigenartige Seite offenbart er in
seinen plastischen Arbeiten. Während die Darstellung
der menschlichen Figur in seinen letzten zeichnerischen
Werken ein immer stärkeres Betonen ruhiger Er-
scheinung offenbart, ist er als Plastiker sofort vom
Grundgesetze des runden Aörpers durchdrungen:
Bewegung der Form als erste Bedingung schöner
Linienentwickelung. Sämtliche Entwürfe sind von
größter Lebendigkeit, das Statuarische ist, der Größe
der Gbjekte entsprechend, durchaus vermieden. Er
wußte genau, welchen Maßstab er innezuhalten
hatte. Das zeigen die hier abgebildeten, in der Größe
nur wenig reduzierten plastischen Arbeiten (Abb. {67
bis \72) deutlich. Sie stellen sich dem Besten solcher
Leistungen, das unsere Zeit hervorgebracht, eben-
bürtig zur Seite und zeigen ein Empfinden für
Linienfluß, zugleich aber auch einen Überschuß von
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