(Erinnerung an Nikolaus cSyfts.
170—172. Statuette, Skizze von f N. Gysis. (Ungefähr halbe wirkl. Gr.)
Bewegungsfreudigkeit ganz auffallender Art. Wäre
ihm ein längeres Leben befchieden gewesen, so hätte
zweifelsohne der Plastiker Gysis gleiche pöhe erreicht
wie der Umler. <£s waren dafür alle Voraus-
fetzungen vorhanden.
„Würden Sie bei einem monumentalen plasti-
schen Werke nach den gleichen Prinzipien wie bei
diesen graziösen kleinen Entwürfen handeln?" frug
ich ihn.
„Je nach Umständen! als dekorative Plastik
im Verein mit Architektur kann die Bewegung
gewiß sehr lebendig sein, ich denke an die Giebel
figuren des Parthenon. Einen Bismarck würde ich
als Statue nie sich bewegen taffen.3) Der könnte
nur durch eine gewissermaßen vierschrötige, massive
paltung den rechten Ausdruck gewinnen. Viele, die
meisten Standbilder leiden zu sehr unter dem Einflüsse
des Aostüm- und Ulilitärschneiders, der dem Plastiker
i) Die preisgekrönte Bismarckfignr des für Hamburg be-
stimmten Monumentes trägt diese (Eigenschaft in hervorragendem
Maße. Glückliche!weise war diesem Plastiker die Zahl der
Uniformsknöpfe, der Schnitt des Soldatenrockes nicht bestim-
mende Lharakteristik des eisernen Kanzlers. Leider weist
Deutschland eine immer größer werdende Zahl von solchen
„(Ehrungen" auf, die ein böses Licht auf die landläufigen
Begriffe über Monumentalkunst werfen. Mir haben nicht
mehr den geringsten Grund, uns über die italienischen Gari-
baldi-, Tavour- und Viktor-Emannel-Denkmäler lustig zu machen.
Diese sind ja, es ist wahr, oft recht sonderbar, aber es fehlt
ihnen eins, was den meisten deutschen Monumenten neuerer
Zeit durchweg eigen ist: die gräßliche Langeweile, die Trost-
losigkeit der Auffassung.
die zwingendsten Direktiven gibt, statt daß dieser sich
lediglich von der Größe der Erscheinung leiten läßt.
Bleisoldaten im kleinen — Reitermonumente im
großen, aber wenig „große Wonumente". Wozu
denn die photographische Treue? Es handelt sich
doch um den Utenschen, um den Ausdruck der Be-
deutung des Ukenfchen, um die Darstellung des
geistigen Inhaltes des Individuums, nicht um
seinen Rock! Aber genau so wie der Porträtmaler
weit öfter die beste Toilette der Dame und als
Begleiterscheinung auch ihr Antlitz, den Bratensrack
oder Uniformsrock des Ulannes und dann diesen
selbst malen muß, so ergeht es den Bildhauern, von
denen übrigens sehr, sehr viele nicht recht wissen,
was Plastik im höheren Sinne ist. Dazu kommt,
daß die meisten Auftraggeber selbst keine Vorstellung
davon haben, was „groß" im künstlerischen Sinne
heißt. Das Einfache ist ihnen zuwider; Reichtum
der Anschauung und Kompliziertheit der Darstellung
werden meist verwechselt, während sie eigentlich
himmelweit voneinander abstehen. Ich meine, einem
wirklich groß veranlagten Plastiker müsse es eine
förmliche Pein sein, dieses ewige Vordrängen, dieses
Betonen der Aoftümfrage. Warum soll nicht ein
bedeutender Wann als eine Art von Heros dar-
gestellt, vom Zeitgenössischen seiner äußeren Erscheinung
unter Umständen ganz Abstand genommen werden.
Die Wacherhaltung der Erinnerung an die hervor-
ragenden Eigenschaften ist doch weit mehr zu be-
tonen als das ganz Vorübergehende, was im Aostüm-
lichen liegt. Die Behandlung und Vertiefung in
gs
170—172. Statuette, Skizze von f N. Gysis. (Ungefähr halbe wirkl. Gr.)
Bewegungsfreudigkeit ganz auffallender Art. Wäre
ihm ein längeres Leben befchieden gewesen, so hätte
zweifelsohne der Plastiker Gysis gleiche pöhe erreicht
wie der Umler. <£s waren dafür alle Voraus-
fetzungen vorhanden.
„Würden Sie bei einem monumentalen plasti-
schen Werke nach den gleichen Prinzipien wie bei
diesen graziösen kleinen Entwürfen handeln?" frug
ich ihn.
„Je nach Umständen! als dekorative Plastik
im Verein mit Architektur kann die Bewegung
gewiß sehr lebendig sein, ich denke an die Giebel
figuren des Parthenon. Einen Bismarck würde ich
als Statue nie sich bewegen taffen.3) Der könnte
nur durch eine gewissermaßen vierschrötige, massive
paltung den rechten Ausdruck gewinnen. Viele, die
meisten Standbilder leiden zu sehr unter dem Einflüsse
des Aostüm- und Ulilitärschneiders, der dem Plastiker
i) Die preisgekrönte Bismarckfignr des für Hamburg be-
stimmten Monumentes trägt diese (Eigenschaft in hervorragendem
Maße. Glückliche!weise war diesem Plastiker die Zahl der
Uniformsknöpfe, der Schnitt des Soldatenrockes nicht bestim-
mende Lharakteristik des eisernen Kanzlers. Leider weist
Deutschland eine immer größer werdende Zahl von solchen
„(Ehrungen" auf, die ein böses Licht auf die landläufigen
Begriffe über Monumentalkunst werfen. Mir haben nicht
mehr den geringsten Grund, uns über die italienischen Gari-
baldi-, Tavour- und Viktor-Emannel-Denkmäler lustig zu machen.
Diese sind ja, es ist wahr, oft recht sonderbar, aber es fehlt
ihnen eins, was den meisten deutschen Monumenten neuerer
Zeit durchweg eigen ist: die gräßliche Langeweile, die Trost-
losigkeit der Auffassung.
die zwingendsten Direktiven gibt, statt daß dieser sich
lediglich von der Größe der Erscheinung leiten läßt.
Bleisoldaten im kleinen — Reitermonumente im
großen, aber wenig „große Wonumente". Wozu
denn die photographische Treue? Es handelt sich
doch um den Utenschen, um den Ausdruck der Be-
deutung des Ukenfchen, um die Darstellung des
geistigen Inhaltes des Individuums, nicht um
seinen Rock! Aber genau so wie der Porträtmaler
weit öfter die beste Toilette der Dame und als
Begleiterscheinung auch ihr Antlitz, den Bratensrack
oder Uniformsrock des Ulannes und dann diesen
selbst malen muß, so ergeht es den Bildhauern, von
denen übrigens sehr, sehr viele nicht recht wissen,
was Plastik im höheren Sinne ist. Dazu kommt,
daß die meisten Auftraggeber selbst keine Vorstellung
davon haben, was „groß" im künstlerischen Sinne
heißt. Das Einfache ist ihnen zuwider; Reichtum
der Anschauung und Kompliziertheit der Darstellung
werden meist verwechselt, während sie eigentlich
himmelweit voneinander abstehen. Ich meine, einem
wirklich groß veranlagten Plastiker müsse es eine
förmliche Pein sein, dieses ewige Vordrängen, dieses
Betonen der Aoftümfrage. Warum soll nicht ein
bedeutender Wann als eine Art von Heros dar-
gestellt, vom Zeitgenössischen seiner äußeren Erscheinung
unter Umständen ganz Abstand genommen werden.
Die Wacherhaltung der Erinnerung an die hervor-
ragenden Eigenschaften ist doch weit mehr zu be-
tonen als das ganz Vorübergehende, was im Aostüm-
lichen liegt. Die Behandlung und Vertiefung in
gs