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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Unterschlagung der geistigen Autorschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0124

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Unterschlagung der geistigen Autorschaft.

Nichtsdestoweniger ist es kürzlich einem Münchener
Künstler, der in einem auswärtigen Geschäft Arbeiten
zum Verkauf ausgestellt hatte, passiert, daß er, als
er unbekannt in jenes Geschäft trat, von niemand
erfahren konnte, daß die ausgestellten Sachen —
von ihm waren!!! Wo hingegen Ladengeschäft und
Werkstätte miteinander verbunden sind, kann man
vom Inhaber nicht verlangen, z. B. bei seiner Eti-
kettierung eine reinliche Scheidung zwischen selbstver-
fertigten und aus anderen Werkstätten bezogenen
Dingen vorzunehmen. Ein rechtlich denkender Ge-
schäftsmann und Kunsthandwerker — fei er nun
Schlosser, Goldschmied oder Zinngießer — wird
aber gegebenenfalls mit der Nennung des Urhebers
nicht hinter dem Berg halten, wenn es sich um
originelle Arbeiten handelt, die ihre Erscheinung im
wesentlichen von außerhalb der eigenen Werkstatt
stehenden Mitarbeitern erhalten haben.

Verwickelter ist folgender Fall, der uns die Ver-
anlassung gegeben hat, einmal die Frage nach der
Bekanntgabe der Urheberschaft näher anzusehen.
Ein jüngerer, in seinem Fache wohlausgebildeter,

talentvoller Annsthandwerker — nennen
wir ihn Schulze — wollte sich selb-
ständig machen; er begann damit, eine
Reihe zierlicher Kleinigkeiten zu fertigen
und sie durch Beschickung von Kunst-
ausstellungen, durch Veröffentlichung
in Fach-Zeitschriften, durch Übergabe
an Zwischenhändler an den Mann zu
bringen. Die Sachen fanden vielfach
Anklang, rentierten aber nicht in ge-
genügendem Maße; nach wenigen
Jahren war Schulze mit seinen Be-
triebsmitteln zu Ende und er sah sich
gezwungen, seine Modelle und Vorräte
an einen bemittelten Fachgenossen —
nennen wir ihn bsuber —• zu verkaufen
und als Mitarbeiter in dessen Geschäft
einzutreten, das von nun an den
Namen führte: „M. Huber, vormals
L. Schulze", Huber hat wohl im Fach
praktisch gearbeitet, ist aber in erster
Linie Geschäftsmann; selbstverständlich
ist auch er bemüht, seine Waren so
weit als möglich bekannt zu machen,
u. a. durch Abbildungen in Zeit-
schriften. Hiergegen ließe sich nichts

einwenden, wenn dabei als Ver-

fertiger die Firma unverkürzt genannt
würde; denn schon der Doppelname
- „Huber, vormals Schulze" — läßt
wenigstens den Schluß zu, daß es
sich bei dem Textunterdruck nicht um Namhaft-
machung eines Kleinkünstlers handelt. Nun steht

aber unter solchen Abbildungen unverfroren: „Ent
wurs und Ausführung von M. Huber in .....
während all die dargestellten Dinge tatsächlich

allein von Schulze (noch vor seiner Vereinigung mit
Huber) gefertigt, teilweise sogar schon unter seinem
Namen veröffentlicht worden sind. Jeder, der die
Unterschrift liest und den Sachverhalt nicht kennt,
wird den M. Huber persönlich als den Urheber
und Verfertiger ansehen, weil der wahre Meister-
name unterschlagen ist. Eine derartige, der Wahr-
heit direkt widersprechende Bezeichnung kann nicht
scharf genug als ein unehrlicher Geschäftskniff ge-
brandnrarkt werden. Seine Geschäftsfirnm mag der
M. Huber unter die Abbildungen setzen, nicht aber
sich persönlich als Entwerfer und Ausführender be-
zeichnen !

Es wird oft recht schwer, manchmal sogar
unmöglich sein, bei solchen Gelegenheiten allen Be-
teiligten die ihnen gebührende Ehre der Namens-
nennung zukommen zu lassen; Fälle aber, wie der

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