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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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Ehronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

20\. Fries von £}. Bef-- (S ran, München.

eine Fülle der herrlichsten Früchte seiner letztsommerlichen
Studien aus. Wenn man von den Kunstschätzen der Stadt
Augsburg spricht, denkt man zumeist nur an die Blütezeit in der
Renaissance. Sebr mit Unrecht; denn schon das frühe Mittel-
alter hat uns prächtige Werke dort hinterlassen, die noch heute
unsere Bewunderung verdienen. Schon der älteste. 994— ;oo2
errichtete Teil des Domes ist von großer kunngeschichtlicher Be-
deutung. indem er Zeugnis gibt von einer selbständigen deutschen
Kunst; er ist — im Gegensatz zu den Bauten der Karolingischen
Zeit — von Deutschen entworfen und ausgesührt. wenn auch
im engen Anschluß an italienische Vorbilder, vom Jahre
;zz; an wurde der Dom dann in gotischem Sinn weiter-
geführt, wobei die prächtigen, für die ganze Geschichte der
deutschen Skulptur wichtigen portale entstanden. Der Kreuz-
gang des Domes vollends zeigt die Entwickelung eitler lokalen
Bildhauerschule vom bis zuin ;8. Jahrhundert, und sowohl
die Sakristei wie die Kirche selbst enthalten zahlreiche köstlicl e
Werke der Kleinkunst des Mittelalters. — Inr Zeit der Er-
bauung der St. Ulrichskirche (begontien stand Augsburg

in der höchsten Kunstblüte; Kaiser Maximilian, der schon als
Kronprinz öfters hier weilte, hat zeitlebens an dem fröhlichen
Treiben der Stadt gern teilgenommen. Zu seiner Zeit vollzog
sich der Übergang von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen
Kunst. Damals entstand die Grabkapelle der Fugger (^9$),
die kfeiligkreuzkirche Q503), die Dominikanerkirche (;51~), teils
noch spätgotisch, teils im allgemeinen unter italienischem
Einstuß. Die Fuggerhäuser dieser Zeit tragen schon völlig den
Retiaissancecharakter; die plastischen Arbeiten in der St. Anna-
kirche sind z. T. nach Diirerschen Zeichnungen gefertigt. Daus
kfolbein der Vater kann als letzter Vertreter der mittelalter-
lichen, lhans Burgkmair als erster der neuzeitlichen Malkunst
Augsburgs angesehen werden. Augsburg stand auch in der
zweiten ifälfte des ;s. Jahrhunderts geschäftlich noch in
höchster Blüte; künstlerisch macht sich ein Nachlassen bemerkbar,
was auch aus dem vereinziehen fremder Künstler zu ersehen
ist: Ponzano (Badezimmer im Fuggerhaus), vubert Ger-
hard (Angustusbrunnen), Adrian de vries (verkulesbrunnen).
Das Kunsthandwerk zeigt auch um diese Zeit noch eine sehr
erfreuliche Blüte; Beispiele dafür: die Gitter in der St. Ulrichs-
kirche, Ifolzgitter, Stuhlwerke. Ein Augsburger Schlossermeister
wurde sogar zur Herstellung der Beschläge nach Schloß vel-
thurns (bei Brixeu) berufen. Die letzten gewaltigen Äußerungen
einer heimischen Kunst verdankt Augsburg seinem Architekten
Elias Holl. Im Jahre >soo hatte er eine dreimonatliche
Reise nach Italien gemacht; wenige Jahre später entstand sein
Meisterwerk, das Rathaus, in welchem auch das Kunsthand-
werk noch hervorragende Proben seiner Tüchtigkeit ablegen
konnte — Schnitzereien, Vertäfelungen, Schmiedewerke, (Öfen.

Der Dreißigjährige Krieg machte alledem ein Ende. Wohl
brachte auch das (8. Jahrhundert noch tüchtige Aunstband-
werker hervor; und inanch Torgitter oder manche Türflügel
geben Zeugnis davon, daß der Duell künstlerischen Schaffens
nicht ganz versiegt, sondern nur verschüttet war; aber es ist
kein einziger größerer Bau im \b. Jahrhundert entstanden, der
mit den Werken aus früherer Zeit wetteifern könnte. — Der
ungemein gedankenreiche Vortrag wurde durch eine große Zahl
prächtiger Bilder aufs beste erläutert. Prof, Hoch oder, der
an diesen, Abend den Vorsitz führte, gab in kurzen, treffenden
Worten der Dankbarkeit Ausdruck, die alle Anwesenden den
gediegenen Ausführungen des Vortragenden entgegenbrachten.

Dritter Abend -— den ;s. November — Vortrag von
Dr. E W. Bredt: Der herrschende Gedanke in der
neuen Kunst. Redner wies die oft gehörte Forderung, ein
Kunstwerk müsse den Geist der Zeit verkörpern, zurück, indem
er zeigte, wie wenig inan beit Geist der eigenen Zeit klar
definieren kann, und wie wenig man daher mit Absicht im
Geist der Zeit schaffen kann. Daran krankt die Kunst des
ganzen Jahrhunderts; das Bauprogramm, in welchem
König Max II. die Architekten zur Verwendung von Eisen und
Glas als den neuen Baumitteln aufforderte, ging leider durch
jene Doktrin auch zu Grunde. Daß man in den so er und
soer Jahren „im Geist jener Zeit baute", das bewiesen eben
die daher stammenden Werke, z. B. des gotischen Stils: es war
ein trockener Historismus. — Durch Jahrhunderte an eine Kunst
gewöhnt, die nur schmücken, reicher machen wollte, war der Blick
für das verloren gegangen, was die Kunst aufbaut. Wenn wir
aus dem Studium der alten Kunst zu der Überzeugung kommen,
daß die äußere Erscheinung der Kunstwerke stets die Resultante
bestimmter Forderungen sein muß— eine Gedankenkette, die wir
Stil nennen —, dann müssen wir auch das Gemeinsame, den
herrschenden Gedanken unserer neuen Kunst finden, vergleicht
man z. B. Plakate älterer und neuerer Zeit, so fällt sofort auf.
daß die alten auf Fernewirkung keine Rücksicht nehmen, dafür
umständlich und gemütlich zu erzählen wissen; während die
neueren praktischer, auffallender, oft knapp und geistreich gehalten
sind, wobei allerdings nicht selten das Plakat zur Karrikatnr wird.
Jm Plakat berühren sich die neue Kunst und die neue Dekora-
tion. Ähnliche Gedanken beherrschen die neue Buchkunst; denn
trotz ihrer Mannigfaltigkeit haben die modernen Buchumschläge.
Reklame-Umrahmungen. Zierleisten u. s. w. alle das gemein,
daß das Buch oder die bedruckte Fläche weniger illustriert als
markant gegliedert werden soll. Man will nicht mehr durch
loslösbaren Schmuck wirken, sondern durch gefällige Gliederung
des aus Schmuck und Letternsatz bestehenden Ganzen; dies
zeigen namentlich die Umschläge, mit denen die verschiedenen
 
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