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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Neumann, Ernst: Zur Hebung der Plakatkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0147

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Zur Hebung der Plakatkunst.

Künstlern an der richtigen Einsicht in die Tatsache,
daß zugkräftige Wirkung erstes, wesentliches Erfor-
dernis auch des Künstlerplakates ist, daß es also
nicht angeht, den Plakatauftrag lediglich als Vor-
wand zu irgendwelchen an sich vielleicht recht löb-
lichen, rein künstlerischen Absichten zu benutzen, daß
derselbe vielmehr eine durchaus bedarfskünstlerische
Tätigkeit erfordert, die ihre eigenen, den Zwecken
des Plakates entsprechenden Gesetze hat.

Ist so bei vielen, auch bei vielen modernen
Plakaten der Charakter derselben als Erzeugnisse
angewandter Kunst nicht ausreichend gewahrt,
stellen statt dessen viele dieser Produkte immer wieder
Versuche dar, rein künstlerische Wirkungen auf dem
alsdann freilich ungeeigneten Plakatwege zu erreichen,
so tritt bei vielen noch der erschwerende Umstand hinzu,
daß sie der Wache nach durchaus ungraphischer Natur
sind, also aus Prinzipien der (Ölmalerei oder der
zeichnenden (illustrierenden) Kunst beruhen, auf deren
Grundlage freilich ein modernes, nach allen Leiten
hin völlig einwandfreies Plakat nicht zu erreichen ist.

Lind sich demnach über das Wesen des modernen
Plakates die beiden beteiligten Faktoren, Geschäfts-
mann und Künstler, beide in gleichem Maße unklar,
so darf uns dies nicht wundern, wenn wir betrachten,
was über Plakatkunst an theoretischen Äußerungen
in die (Öffentlichkeit drang. Viele Abhandlungen der
letzten Jahre haben diesem Thema gegolten, aber
ihrer überwiegenden Mehrzahl nach gipfelten sie
stets nur in durchaus unkritischen Verherrlichungen des
neuen Kunstzweiges, schilderten mit Vorliebe das Wirken
seiner ausländischen Vorkämpfer und zogen aus deren
Leistungen oft recht schiefe und unsachliche Schlüsse.

Über die technischen und psychologischen Gesetze
des modernen Plakates, die diesem seine durchaus
neuartigen Qualitäten als dekoratives Fernkunstwerk
erteilen, erfuhr der Künstler nichts und war in vielen
Fällen schwach genug, sich auf das Nachahmen der aus-
ländischen Muster zu beschränken, welche ihm in den
theoretischen Ausführungen so laut angepriesen wurden.

Aus den angeführten Mißständen erhellt so
gleich noch ein weiterer, welcher wohl den empfind-
lichsten Druck aus unser Plakatwesen ausübt. Es
ist dies das Fehlen jeglicher kritischer Maßstäbe, so-
bald es sich um die Beurteilung eines Werkes der
modernen Plakatkunst handelt, das stets mehr oder
weniger der ästhetischen Willkür seiner Juroren, bezw.
seiner Auftraggeber preisgegeben ist. Als Beleg diene
hier das Ergebnis der meisten Plakatkonkurrenzen, das
fast stets geeignet ist, die Fachleute zu befremden,
sowie vor allem der sehr charakteristische Amstand,
daß moderne Plakate immer noch von den Kunst-
ausstellungen ausgeschlossen sind.

Verweilen wir etwas bei dieser Tatsache.

Ihr Grund ist, nachdem sich die Ausstellungen
bereitwillig den Erzeugnissen des Kunstgewerbes und
der zeichnenden Künste geöffnet haben, wohl kaum
in einer prinzipiellen Ablehnung zu suchen. Eher
schließt man das Plakat deshalb aus, weil man mit
schlechten, künstlerisch minderwertigen Erzeugnissen
dieses Kunstzweiges überlaufen zu werden fürchtet.
Unseres Erachtens geben sich nun aber die Aus-
stellungsleitungen dadurch nicht nur insofern eine
Blöße, als sie ein Manko an kritischer Autorität ein-
gestehen, indem sie sich nicht Zutrauen, zwischen gut
und schlecht zu unterscheiden, — sie machen sich außer-
dein noch einer Inkonsequenz schuldig, die man klar
erkennt, wenn man an vieles, sehr vieles, was diese
Ausstellungen an Werken der Ölmalerei bieten, ein-
mal den kritischen Maßstab anlegt.

Die Tore, die vor manchem, weit unter dem
Niveau des Ästhetisch-wertvollen stehenden (Ölbilde
auffliegen, brauchten nicht vor allen Plakaten so
ängstlich geschlossen zu werden, weil einige schlechte
mit darunter sein könnten. Daß diese nicht die
Mehrzahl in den Räumen unserer Kunstausstellungen
bilden würden, dafür zu sorgen wäre eben Lache
einer speziellen, aus Plakatfachleuten zufammen-
gesetzten Jury. Das von ihnen Ausgewählte, durch
die autoritative Bedeutung der Kunstausstellung
gleichsam offiziell Anerkannte wäre seinerseits wieder
dein Kunsttheoretiker willkommener Ltoff, allinählich
auch für die Plakatkunst billige und sachliche Maß-
stäbe zu schaffen.

Fiele die hiermit gegebene Anregung in München
auf fruchtbaren Boden, so wäre damit den Gerüchten
von Münchens Niedergang als Kunststadt ein kräf-
tiger Riegel vorgeschoben, indem München alsdann die
erste deutsche Kunstzentrale wäre, die sich der modernen
bedarfsgraphischen Bestrebungen offiziell annähme.

Die Forderung, den Erzeugnissen der modernen
bedarfsgraphischen Plakatkunst Zutritt zu unseren
Ausstellungen zu gewähren, scheint uns unbedingt
die wichtigste, die zu Gunsten der pcbung des Plakat-
faches ausgesprochen werden kann. Ihre Erfüllung,
die Möglichkeit, plakatkunstwerke mit Werken der
(Ölmalerei vergleichen zu können, würde sowohl zur
Belehrung des Künstlers selbst, als auch des Kunst-
theoretikers beitragen und vor allem dem Publikum
Anregung geben, durch das Plakat, das in so enger
Verbindung mit den Notwendigkeiten des alltäg-
lichen Lebens steht, wieder in engere Fühlung, in
intimere Beziehungen zur Kunst zu treten, die dieser,
wie ihre soziale Lage heute ist, auch nur wieder zum
Besten gereichen könnten. Permann Eßwein.

Ernst Neu mann.

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