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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Kleine Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0180

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Kieme Nachrichten.

276. Schreibtisch; nach Entwurf von Marg. Junge, Dresden,
ausgeführt von Schmidt & Müller, Dresdener Werkstätten
für Handwerkskunst. der wirkt. Gr.) Muster gesch.

legenheit fehlt, mit Werken anderer Kunstgebiete utid
mit den Leistungen bahnbrechender Genies Vergleiche
anzustellen, gewinnt man eilten Maßstab für die Er-
kenntnis, daß man selbst hier, wo die Jury Milde
walten ließ, mit einer Anzahl geschlossener Indivi-
dualitäten zu tun hat, die tausend kleine Schönheits-
reize des Lichtes und der Farbe festlegen und um-
werten — den aufmerksam Schauenden zu feinerem
Verständnis des Naturlebens verhelfend, den Schaffen-
den die Pfade ebnend, die zu neuen pöhen führen.

Von angewandten naturalistischen Ornamenten
ist namentlich die Gruppe der Textilien, vor allem
der Stickereien, sehr untfassend. Pier tritt nun sehr
deutlich die in neuester Zeit so häufig beobachtete
Erscheinung zutage, daß der Besitz einer zeitgemäßen
selbständigen Formensprachc, wie ihn die „Moderne"
zweifellos darstellt, noch lange kein Universalmittel
gegen Unselbständigkeit im Entwurf bietet, viel
weniger denn imstande ist, die Fehler zu beseitigen,
die aus unzureichendem Verständnis für die „Seele

277. Eßtisch; nach Entwurf von Margar. Junge, Dresden,
ausgeführt von Schmidt & Müller, Dresdener Werkstätten
für Handwerkskunst. Muster gesch.

des Materials" entspringen. Mail vergißt immer,
daß es nicht genügt, eine geistreiche und kräffig be-
handelte Zeichnung zu nehmen und sie schlechthin in
Stickerei ausführen zu lassen. Zwei Portierenborten
von M. Erler- Berlin zeigen feines Verständnis
für die Stickerei als Technik; mannigfaltiges Material
ist harmonisch und in solidester Ausführung ver-
wendet; der Entwurf hingegen ist reichlich schwer-
fällig. Zeichnerisch interessante Atiläufe nehmen
Möller-Koburg, Käthe Trautwein, Fia Wille, Laura
Krause, Martha Endeil, Frl. Kersten. Letztere zeigt
aber in der Ausführung besondere Mattheit. Zeich-
nerisch stärker ist E. Pülle-Berlin, die ihre nicht un-
geschickt erfundenen Entwürfe auf der Maschine aus-
führen läßt, leider ohne die Natur der Maschine und
des Materials zu kennen. Ihre Farbenstellung ist
fein, aber durchaus unhaltbar, d.h. schnell verbleichend.
M. Psaff-Ehenmitz hat mehr Herrschaft über die
Technik, ebenso E. Ohler-Leipzig; der bekannte Fritz
Rentsch - Leipzig hat einen der Gobelintechnik ver-
ständig angepaßten Entwurf, doch scheinen auch hier
— wie auf dem Stück mit dem weiblichen Akt —
die langen Linien der psauenschwänze den Geist
der Arbeitsweise nicht hinreichend zu berücksichtigen
und Härten in: Gesamtbilde hervorzurufen. Intimes
Verständnis für das Wesen der Stickerei verrät ein
Kissen von H. Gmelin-Karlsruhe und ein Tischtuch
der Schwestern H. und E. Lesker. Selbst diese letztere
Arbeit hielt sich nicht ganz fern von Übergriffen
in das Gebiet der Weberei, doch war die Stich-
lage mit Verständnis dem Gang der Zeichnung
angepaßt und der Sinn für Harmonie des Materials
vorhanden. Frl. Gmelin versteht mit großer Sicher-
heit die Klippen der modernen Applikations-
methode zu umschiffen, sie verwendet nicht zu leichte
Seide auf zu schwerem Tuch, sondern erzielt das
richtige Gleichgewicht zwischen dem verschiedenen
Material, das, was im guten Semperschen Sinne
Harmonie zu heißen verdient; die Stichlage schmiegt
sich der Zeichnung sicher an, sie leistet Gewähr für
Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit und die
Farbenstellung ist warm und sympathisch — nicht
auf die chroinatischen Disharmonien gestinnnt, die
sich so vielfach in modernen Leistungen fühlbar
nmchen. — Entwürfe für Opaleszentglas, für Vor-
satzpapier und Studienblätter derselben Künstlerin
finden sich in der Abteilung des stilisierten Orna-
mentes. Auch hier tritt das sicher entwickelte Gefühl
für die Eigenart des Materials hervor und der Ver-
zicht auf jede sensationelle Geistreichelei berührt sehr-
angenehm. Arbeiten so bekannter Künstler wie der
Herren v. Berlepsch, Paul Bürck u. a. m., die sich
in dieser Abteilung finden, bedürfen natürlich des
 
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