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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0194

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Ehronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

304 u. 305. Buchschmuck von 3- B. Lissarz, Dresden.

Seitenblicke auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, Verkehrs-
politischen Zustände tun und bereitete dadurch trefflich die
Stimmung vor, in der die nun folgenden Lichtbilder — meist
nach alten Zeichnungen und Stichen — betrachtet sein wollten.
Mit nur wenigen Ausnahmen handelte es sich dabei um
Straßen«, Platz-, Baubilder, die entweder ganz verschwunden
oder völlig umgestaltet sind, und die wegen ihrer gemütlichen
Erscheinung so recht geeignet waren, Wehmut über die Ver-
gänglichkeit des Menschenwerks zu wecken, trotzdem — oder
vielleicht gerade weil — ein so gesunder Sinn, ein so trefflicher
vumor aus jenen Werken spricht. Mit offenkundigem Interesse
folgte die Zuhörerschaft dem für seine Vaterstadt begeisterten
Redner und spendete am Schluß reichen Beifall.

Dreizehnter Abend — den 3. März — Vortrag von
Maler und Lithograph Mart. Zenkert über alte und neue
Schrift. Redner gab — 3. T. unter Vorführung von Licht-
bildern — etite umfassende Schilderung der Entwicklung der
Schrift; ausgehend von Babyloniern, Ägyptern, Phöniziern, schil-
derte er das Schriftwesen bei den Römern, wie es von diesen
auf andere Völker überging, wie daneben die Schrift der Goten
aus den Runenzeichen entstand u. s. w. Die eingehende Pflege,
welche die Schrift in den Klöstern schon vom frühesten Mittel-
alter an fand, die verschiedene Anwendung von Majuskeln und
Minuskeln, die Hervorhebung und „Illuminierung" der Initialen,
die kleinen, z. T. auf Verwendung andersartigen Schreibmaterials
zurückzuführenden Änderungen in der Gestalt der Buchstaben,
— das alles wußte der Vortragende unter Zuhilfenahme sehr
umfangreichen Bildmaterials vorzuführen. Den Schluß bildeten
einige ganz moderne Schriften, die so recht den Beweis lieferten,
daß man bei der gewaltsamen Suche nach neuen Schriftformen
stets in die Irre der Unleserlichkeit gerät, also den Zweck der
Schrift völlig zur Seite schiebt. — Auch die im Anschluß an
den beifällig aufgenommenen Vortrag Zenkerts von Gtto
Grautoff gemachten Bemerkungen über die auf Anregung
von Larisch in Wien entstandenen Schriftproben verschiedener
Künstler konnten dies nur bestätigen.

Vierzehnter Abend — den >7. März -— Vortrag von
Maler Walter Ziegler über Mehrfarbendruck und Farben-
pausgraphik. Schon im Vorjahre hatte der Vortragende vor
dem gleichen Zuhörerkreis über ein ähnliches Thema aus dem
Gebiet der graphischen Kunst gesprochen und schon damals (vgl.
Iahrg. ;go2, S. \:s) das von ihm erfundene und eingeführte
Verfahren zur leichteren Herstellung der verschiedenen Färb-
platten vorgeführt; seine diesmaligen Auseinandersetzungen
befaßten sich noch eingehender gerade mit diesem seinem Ver-
fahren und der seither erreichten Vervollkommnung. — Beim
autotyxischen Mehrfarbendruck wird die Aussonderung der

Farben auf photographischem Wege erreicht; bei der manuellen
Farbengraxhik sucht man die möglichste Treue des farbigen
»Originals dadurch zu erreichen, daß man sekundäre und tertiäre
Farben nicht allein durch Übereinanderdrucken von primären
Farben erzeugt, sondern indem man für dieselben spezielle
Platten herstellt. Das Jieglersche xatentamtlich geschützte ver-
fahren zielt darauf hin, dem Künstler das mühsame und un-
sichere Aussondern der verschiedenen Farben zu ersparen und
ihn in den Stand zu setzen, das mehrfarbige Bild vor seinen
Augen entstehen zu lassen und gleichzeitig die Platten für die
verschiedenen Farben vorzubereiten. Trockenes Farbenmaterial
in Form von Stiften muß immer mit einem gewissen Druck
aufgebracht werden, wobei die Intensität der Farbenabgabe der
Stärke des angewandten Druckes entspricht. Zeichnet man auf
dünnes Papier, während unter diesem ein farbgebendes Paus-
papier liegt, so entsteht auf einem zweiten, unter dem Farb-
papier liegenden Papier ein Duplikat der Zeichnung. Indem
man nun das Bild aus den einzelnen Farbstiften herstellt,
wobei man für jede Farbe die Zeichnung über das ihr ent-
sprechende Farbpapier heftet, erhält man Sie jeder Farbe zu-
gehörige Zeichnung; das wesentliche der Erfindung besteht
daher in der selbsttätigen Aussonderung der Teilfarben aus
der kombinierten Farbenzeichnung, bewirkt durch den Zeichner
selbst bei gleichzeitigem Wechsel der für jede Farbe unterlegten
Platte. In ähnlicher weise lassen sich auch Fettxausen zur
Übertragung auf Stein, Aluminium, Zink Herstellen. — Redner
erläuterte alsdann noch eine Reihe verschiedener Verfahren
mittels Fettpausen für Steindruck wie für Buchdruck; es würde
aber die Grenzen dieses. Berichts weit überschreiten, wenn wir
darauf näher eingehen wollten. Die gehaltvollen Ausführungen
des Redners, der sich wieder als umfassender Kenner der gra-
phischen Techniken zeigte, und die vielen überaus lehrreichen
Druckproben weckten sichtlich das größte Interesse in der Zu-
hörerschaft.

Randleiste von I. v. Eissarz,
Dresden.


Verantw. Red.: Prof. £. Gmelin. — herausgegeben vom Bayer. Kunstgewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Mldenbourg, München.
 
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