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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Ernst Riegels neue Arbeiten und Entwürfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0260

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Ernst Riegels neue Arbeiten und Entwürfe.

<U3—<H5. Anhänger (Gold mit Steinen).
Entwürfe von Ernst Riegel, München.
(Wirkt. Größe.)

vor einigen Monaten bei einem Wettbewerb um
Schmuckentwürfe sin schwäbisch - Gmünd) durch
Preise ausgezeichnet.

Ganz im Formenbereich der Bronze hält sich
der Gntwurf zu einem Handspiegel (Abb. 4(22): ge-
schlossener Umriß, ohne spitze Ausläufer; dabei ist
mittels Durchbrechungen das Gewicht des Ganzen
zu Gunsten der Handlichkeit herabgemiitdert.

Aann man von den Entwürfen zu den Schmuck-
fachen und zu den niellierten Bechern sagen, daß
sie wenig Motive zeigen, die sich auf Naturformen
zurückführen lassen, so lehnen sich dagegen die meisten
ausgeführten Trinkgefäße teilweise ziemlich eng an
Natur- bezw. Pflanzenformen an. Schon der schlanke
Fuß an der zierlichen Glasschale (Abb. \22) zeigt
sich völlig losgelöst von aller Überlieferung älterer
Stilisierung und nur aus pflanzlichen Motiven auf-
gebaut. Noch inehr von Pflanzenmotiven beherrscht
erscheint der Pokal mit den Schnecken (Abb. 4(27);
und wenn auch der Aufbau im ganzen — wie das in
der Natur der Sache liegt — an Prunkgefäße älterer
Zeit erinnert, ja ein flüchtiger Blick in den Buckeln
des Fußes des Gefäßes sogar deutlich Motive aus
dem f5. und \<5. Jahrhundert zu sehen glaubt, so
lehrt doch bald eine eingehendere Besichtigung, daß
man es hn einzelnen doch vielfach mit ganz sorg-
sam einer Pflanze abgeguckten Wuchsmotiven —
Wurzeln, Sprossen, Anospen, Blättern, Reichen — zu
tun hat und daß die Anwendung der Buckeln hier
wie bei den alten Edelmetallgefäßen der Treibtechnik
ihren Ursprung verdankt. (Man vergleiche damit
den auf 5. 4(7 des letzten Jahrgangs, peft 2, dar-
gestellten Entwurf, aus welchem der oben genannte
Pokal durch verbessernde Uiitgestaltung hervorge-
gangen ist.)

Eher noch könnte inan von dem Pokal, dem
Teils Apfelschuß als Motiv zu Grunde liegt (Abb.
4(28 u. 4(29), sagen, daß er ebensogut im f6. wie
im 20. Jahrhundert entstanden sein könnte; und
doch dürfte es schwer halten, daran irgendwelche
Züge zu entdecken, die den modernen Anschauungen
widersprächen: ein realistisch dargestellter, derber

Gebirgsbub niit schweren Nagelschuhen, bloßen
Rnien, gestickten Lederhosen, ein natürlich geformter
Apfel mit einem Blätterpaar an langem Stiel —
das sind Elemente, die keine Runftperiode als be-
zeichnend für sich allein in Anspruch nehmen kann.

Völlig iteue Bahnen betritt Riegel mit den folgen-
den Trinkgefäßen. Auf die Gestaltung der Trinkschale
(Abb. 4(30) haben wohl Ernst Jäckels „Runstformen
in der Natur" eingewirkt; die Ralkgerippe verschiedener
Seesterne gaben die Schmuckmotive für Tuppa und
Fuß, während dem Schaft die Morchel zum Vorbild
gedient hat — alles selbstverständlich in freiester
Weise für die Edelmetalltechnik umgedacht. Zm
ersten Augenblick berühren die Motive fremdartig;
wenn man sie aber genauer betrachtet und sich dabei
vorstellt, die Schale sei etwa als Ehrengabe für irgend
einen um die Tiefseeforschung verdienten Gelehrten
bestintmt, dann wird man je länger je mehr sich
mit dem Ganzen befreunden.

Gestattet die schalenartige Gestalt dieses Trink-
gefchirres mehr nur ein behutsames Nippen, so er-
scheint dagegen der folgende Becher (Abb. H3f
u. 4(32) mit der tiefen, steilrandigcn Tuppa und mit
dem konischen Fuß, der die umschließende pand so
behäbig ausfüllt, fast wie ein Einspruch gegen den
zur Zeit in Blüte stehenden Antialkoholismus. Der
Becher gewährt ein Trinken in vollen Zügen und
man kann sich dabei der sorglosesten Weinlaune hin-

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