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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Ebe, Gustav: Neubildungen im Bereiche der Baugliederungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0266

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Neubildungen im Bereiche der Baugliederungen.

Italien kommt zu romanischer Zeit der den: Portal
vorgelegte Pallenbau auf Säulen zur Ausführung,
aber im Norden werden die nach innen abgeschrägten
Laibungen der Portale mit stufenförmig zurücktreten-
dcn Säulchen und Profilierungen ausgefüllt; uud
das Tympanon unter dem Entlastungsbogeu des
wagrechten Sturzes wird mit einer meist inhaltlich
bedeutenden figürlichen Darstellung in plastischer oder
malerischer Ausführung geschmückt. Die Pauptportale
der Aathedralen des Übergangs- und gotischen Stils
treten durch den Reichtum und den volkstümlichen
Inhalt ihres Skulpturenschmucks
in eine vollwertige parallele zu
den Giebelfeldern der antiken
Tempel. Das dort in den hoch-
gerückten Giebeln Gebotene wird
an den mittelalterlichen Portalen
dem Beschauer in bequemere
Nähe gebracht. Ts wäre wohl
zu wünschen, daß ein so hoch-
wirksames Alotiv der modernen
Aunst nicht verloren ginge und,
den Ideen unserer Zeit ent-
sprechend, wieder belebt würde.

— Als reichste und zierlichste
gotische Fensterbildungen des
Ziegelbaues, bereits der Renais-
sance nahe stehend, mögen hier
beiläufig die am Ospedale zn
Mailand von Antonio Filarete
herrührenden erwähnt werden.

Aut dem Tintreten der Re-
naissance ergibt sich sofort
die Zwiespältigkeit in der Profi-
lierung derUmrahmungen, welche
bei uns im Stil der Deutsch-
renaissance zum,Ausdruck kommt.

Tin festes System für die Ver-
schmelzung antiker und mittel-
alterlicher formen ergibt sich in dieser Periode nicht,
vielmehr bemerkt man ein unbestimmtes Schwanken,
das gelegentlich in eine gedankenlose Stilmischerei aus-
artet. Wenn man, wie es bei der neueren Wieder-
aufnahme der Deutschrenaissance oft geschieht, an
demselben Bauwerke Pilasterordnungen und einwärts-
springende Rahmprofile der Öffnungen anwendet, so
ist das nicht zu billigen. (? Die Schriftleitung.) Der
einschmeichelnde, malerische Eindruck der Akassengrup-
pierung in den Werken der Deutschrenaissance mag
über derartige Mängel hinwegtäuschen, aber eine
höheren Ansprüchen genügende Monumentalität kann
mit diesem Stil doch erst erreicht werden, wenn ein
mehr in die Tiefe dringender organischer Ausgleich

zwischen antiker und mittelalterlicher Formenbildung
gefunden wird. In richtiger Erkenntnis dieser viel-
leicht unabwendbaren Schwierigkeit hat die neueste
Richtung es bisher unterlassen, dieses Ziel ernstlich
zu verfolgen.

Die italienische Frührenaisfance hat in unge-
bändigter Verzierungslust eine große Anzahl im
dekorativen Sinne außerordentlich schöner Gebilde
geschaffen. Wir erinnern nur beispielsweise an die
unteren Fenster der Tertosa bei pavia mit ihren
Teilungssäulen in reicher Aaudelaberform und den
figurengeschmückten Bekrönun-
gen. Die Pochrenaissance schließt
sich wieder eng an die antiken
Muster an, ohne erheblich Neues
hinzuzubringen. Erst im Barock-
stil kommt das mittelalterliche
Empfinden wieder kräftig zum
Durchbruch, einmal in der Be-
tonung der Vertikalen durch das
Zusammenziehen der in meh-
reren Stockwerken übereinander
liegenden Fenster und durch das
gleichzeitige Unterdrücken der
Gurtungen; dann in der An-
ordnung der Portale, welche sich
durch die häufige Verbindung
mit ausgekragten Balkonen und
stützenden Atlantenfiguren als
Pauptteile der Fassade darstellen,
ähnlich wie ehemals die mittel-
alterlichen Airchenportale. pätte
der Barockstil seine Entwickelung
vollenden können so wäre viel-
eicht eine organische Verschmel-
zung der Antike mit dem Mittel-
alter zustande gekommen.

Dem Spiele der schlanken,
mehrfach gebogenen und inein-
ander verschlungenen Linien, mit denen die neue
Richtung die Öffnungen zu umziehen liebt, ersichtlich
japanischen Anregungen entstammend, dürfte die Neu-
heit der Erscheinung, in der Bedeutung, die man
ihnen beilegen will, nämlich als Ausdruck der in den
Baumassen latent wirkenden Aräfte, nicht abzusprechen
sein, aber sie können doch nicht als vollgültiger Ersatz
für die älteren Arten der Rahmungen angesehen
werden, auch dürften sie in ihrer Einseitigkeit allzu-
bald verbraucht sein.

* *

*

Von der Ausbildung, welche den Balken der
polzdecken zuteil wurde, ist uns aus dem Alter-

426. Silbermontierter Glasbccher; Entwurf
von Ernst Riegel, München.
 
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