Neubildungen im Bereiche der Baugliederungcn.
Gattung nicht unterschätzt oder gar vergessen werden,
da sie den neueren Erzeugnissen noch immer, min-
destens im Technischen, überlegen sind. Wenn es
gelungen ist, das Runsthandwerk aus dem Zustande
des Verfalles, in den es um die Wende des f8. Jahr-
hunderts, zur Zeit der Revolutionskriege, geraten war,
wieder zu neuein Leben zu erwecken, so ist dies den
Anregungen zu danken, welche von dem uns über-
lieferten Bestände älterer Leistungen ausgegangen sind.
Es wäre Undankbarkeit gegen unsere Vorfahren,
wenn wir ihre Tüchtigkeit in: Runstgewerbe nicht an-
erkennen wollten, und es wird deshalb der Bezug
auf die vaterländischen Denkmäler meistens genügen,
um den Nachweis der fortschreitenden historischen
Entwickelung aus diesem Felde des Echaffens zu
führen.
4:28. Fuß des auf S. 247 dargestellteu Pokals von Ernst Riegel;
Darstellung in wirklicher Größe.
Die Znkrustationstechnik nnt natürlichem,
edlem Gestein, die in der antik-römischen und in der
byzantinischen Runstperiode geblüht hatte, konnte in
Deutschland, wo das geeignete Material nreist von
fern her geholt werden mußte, nur für kirchliche und
fürstliche Luxusbauten in Anwendung kommen und
wurde zur Zeit der Renaissance, noch inehr in der
Barockperiode durch die ebenso alte Technik des
polierten Wandstucks oder chtuckmarmors ersetzt.
Einen Ersatz für die Etuckmarmortechnik bot an
weniger vornehmen stellen die durch leichten Farben-
überzug und nachfolgende Politur ein ähnliches Aus-
sehen hervorrusende Technik des Btuckolustroputzes.
Die neue Richtung scheint von dieser prächtigen Art
der Wandverkleidung selten Gebrauch zu machen,
obgleich dieselbe den Gedanken an unzulässige Nach-
ahmung des Alten nicht hervorruft, und für Vestibüle
und Treppenhäuser eine sehr geeignete Dekoration
bildet.
Abgesehen von der größerrn Kostbarkeit war
der kalte Marmor den Deutschen nie so sympatisch
wie das polz, wenn es sich um die Ausstattung der
Wohnungen handelte, wie denn auch Mittelalter und
Renaissance bei uns mit Vorliebe den unteren Teil
der Wände, bisweilen die ganze pöhe derselben, so-
wie die Decken mit Holztäfelungen bekleidet, und durch
die Wahl dieses Materials eine trauliche Raum-
wirkung erzielt haben, welche ganz dem Einpfinden
des Nordens gemäß war. Die Technik der Polz-
arbeit, wie sie im Mittelalter geübt wurde, ist grund-
sätzlich verschieden von der des Renaissancezeitalters:
erstere kann als Zimmermannsarbeit, letztere als
Tischlerarbeit bezeichnet werden.
Die polzarbeiten des Mittelalters vermeiden die
Durchquerung der Längsfasern und fügen die ein-
zelnen Bretter durch Nagelung, selten durch Leimung
und jedenfalls ohne Einfügung in einen Rahmen
zusammen. Dem gotischen Prinzip gemäß werden
die Rehlungen etwaiger Verdoppelungen gegen die
Fläche vertieft, aus der Masse gearbeitet und die
Verzierungen durch ausgehobenen Grund hergestellt.
Die heute sogenannte Tiroler Gotik, die sich indes
gleichartig im ganzen Norden vorfindet, ist das Er-
gebnis dieser Technik. Nur die durch Rosetten aus-
gezeichneten Rnotenpunkte der Verzierungen sind im
vortretenden Relief ausgeführt, dagegen fehlt ein gegen
die Fläche vorspringendes Umrahmungsprofil. Die
verwendeten Blattformen beruhen auf eingehenden
Naturstudien, werden aber erst gegen Ende der
gotischen Periode ganz naturalistisch aufgefaßt.
Die in Rahmen und Füllungen gelegte, soge-
nannte gestemmte Arbeit ist eine wesentlich erst der
Renaissancezeit angehörende Neuerung; sie beseitigt
24s
Gattung nicht unterschätzt oder gar vergessen werden,
da sie den neueren Erzeugnissen noch immer, min-
destens im Technischen, überlegen sind. Wenn es
gelungen ist, das Runsthandwerk aus dem Zustande
des Verfalles, in den es um die Wende des f8. Jahr-
hunderts, zur Zeit der Revolutionskriege, geraten war,
wieder zu neuein Leben zu erwecken, so ist dies den
Anregungen zu danken, welche von dem uns über-
lieferten Bestände älterer Leistungen ausgegangen sind.
Es wäre Undankbarkeit gegen unsere Vorfahren,
wenn wir ihre Tüchtigkeit in: Runstgewerbe nicht an-
erkennen wollten, und es wird deshalb der Bezug
auf die vaterländischen Denkmäler meistens genügen,
um den Nachweis der fortschreitenden historischen
Entwickelung aus diesem Felde des Echaffens zu
führen.
4:28. Fuß des auf S. 247 dargestellteu Pokals von Ernst Riegel;
Darstellung in wirklicher Größe.
Die Znkrustationstechnik nnt natürlichem,
edlem Gestein, die in der antik-römischen und in der
byzantinischen Runstperiode geblüht hatte, konnte in
Deutschland, wo das geeignete Material nreist von
fern her geholt werden mußte, nur für kirchliche und
fürstliche Luxusbauten in Anwendung kommen und
wurde zur Zeit der Renaissance, noch inehr in der
Barockperiode durch die ebenso alte Technik des
polierten Wandstucks oder chtuckmarmors ersetzt.
Einen Ersatz für die Etuckmarmortechnik bot an
weniger vornehmen stellen die durch leichten Farben-
überzug und nachfolgende Politur ein ähnliches Aus-
sehen hervorrusende Technik des Btuckolustroputzes.
Die neue Richtung scheint von dieser prächtigen Art
der Wandverkleidung selten Gebrauch zu machen,
obgleich dieselbe den Gedanken an unzulässige Nach-
ahmung des Alten nicht hervorruft, und für Vestibüle
und Treppenhäuser eine sehr geeignete Dekoration
bildet.
Abgesehen von der größerrn Kostbarkeit war
der kalte Marmor den Deutschen nie so sympatisch
wie das polz, wenn es sich um die Ausstattung der
Wohnungen handelte, wie denn auch Mittelalter und
Renaissance bei uns mit Vorliebe den unteren Teil
der Wände, bisweilen die ganze pöhe derselben, so-
wie die Decken mit Holztäfelungen bekleidet, und durch
die Wahl dieses Materials eine trauliche Raum-
wirkung erzielt haben, welche ganz dem Einpfinden
des Nordens gemäß war. Die Technik der Polz-
arbeit, wie sie im Mittelalter geübt wurde, ist grund-
sätzlich verschieden von der des Renaissancezeitalters:
erstere kann als Zimmermannsarbeit, letztere als
Tischlerarbeit bezeichnet werden.
Die polzarbeiten des Mittelalters vermeiden die
Durchquerung der Längsfasern und fügen die ein-
zelnen Bretter durch Nagelung, selten durch Leimung
und jedenfalls ohne Einfügung in einen Rahmen
zusammen. Dem gotischen Prinzip gemäß werden
die Rehlungen etwaiger Verdoppelungen gegen die
Fläche vertieft, aus der Masse gearbeitet und die
Verzierungen durch ausgehobenen Grund hergestellt.
Die heute sogenannte Tiroler Gotik, die sich indes
gleichartig im ganzen Norden vorfindet, ist das Er-
gebnis dieser Technik. Nur die durch Rosetten aus-
gezeichneten Rnotenpunkte der Verzierungen sind im
vortretenden Relief ausgeführt, dagegen fehlt ein gegen
die Fläche vorspringendes Umrahmungsprofil. Die
verwendeten Blattformen beruhen auf eingehenden
Naturstudien, werden aber erst gegen Ende der
gotischen Periode ganz naturalistisch aufgefaßt.
Die in Rahmen und Füllungen gelegte, soge-
nannte gestemmte Arbeit ist eine wesentlich erst der
Renaissancezeit angehörende Neuerung; sie beseitigt
24s