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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Grautoff, Otto: Deutsche Bucheinbände der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0294

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Deutsche Bucheinbände der Neuzeit.

dieses Buches, Douglas Eoquerell, ist ein eng-
lischer Buchbinder, ein Schüler des berühmten
Meisters T. I. Lodden - Sanderfon und jahre-
langer Inhaber einer eigenen Werkstatt in London.
Dieses Werk, „Der Bucheinband und die pflege
des Buches", das kürzlich in guter deutscher Über-
setzung von Helix fjiibcl im Berlage von Hermann
Seemann Nachfolger in Leipzig erschienen ist, ist
allerdings in erster Linie ein pandbuch für Buch-
binder und Bibliothekare; in zweiter Linie aber ist I
dieses Buch ganz besonders denjenigen Künstlern zu
empfehlen, die Entwürfe für Bucheinbände anfertigen
oder anzufertigen gedenken, weil in diesem reich illu-
strierten Buche die verschiedenen Methoden der Buch-
binderei in einer selten klaren, erschöpfenden und über-
sichtlichen Weise entwickelt werden. £)at ein Künstler
aber erst einmal einen Einblick in die Konstruktion
eines Bucheinbandes gewonnen, so wird er aus dieser
Erkenntnis heraus die stilistischen Gesetze für die
Dekoration eines Einbandes leicht selbst ziehen können;
und er wird beispielsweise nicht mehr wie Peter
Behrens einen architektonischen Aufbau für einen
Buchdeckel entwerfen. Allen, die sich mit Leder-
arbeiten und pandvergoldung oder Blindpressung
beschäftigen, rät Eoquerell, sich selbst ihre eigenen

Bücher zu binden und nur solche Methoden
in Anwendung zu bringen, die auf deni
gebundenen Buch ausgeführt werden
können.

Anton Braito können wir als den
bedeutendsten Münchner Kunstbuchbinder
bezeichnen; er arbeitet solid und hat mit
alten Stempeln manchen Einband ge-
schmackvoll und anmutig geschmückt. Mit
Verständnis hat er alte Vorbilder studiert
und ihre stilistischen Gesetze ergründet,
um sie verständnisvoll auf seine eigenen
Arbeiten anzuwenden. Sein auch hier
abgebildeter Einband in Blindpressung
mit einem Rundklopfhammer als Dekora-
tionsmotiv für Eoquerell, „Der Buch-
einband" (479) ist eine anerkennenswerte
Arbeit, die hohes Lob verdient, allerdings
mit der oben gemachten Einschränkung.
Außer Anton Braito wäre dann noch der
fleißige 3E. Weinzierl und Gg. Eicher
zu uennen, die beide mehrfach schon
Adressen eingebunden haben. Weinzierl
hat sich vor allem durch die Lederplastik
hervorgetan, durch das Schneiden und
Teilen von Ornamenten auf Lederflächen,
das Attenkofer und Otto Pupp in München
und Georg pulbe in pamburg vor
etlichen Jahrzehnten wieder neu belebten, während
in neuerer Zeit diese Technik weniger geübt wird.
Die Zeichnung wird bei dieser Technik auf die
Lederfläche ausgebracht, die Konturen mit einem
Messer mit kurzer Klinge geschnitten und aufgerissen,
und dann einzelne Teile der Zeichnung mit einem
Treibring von unten Hochgetrieben, so daß sie
plastisch erscheinen. Aber auch in pandvergoldung
haben Weinzierl, Braito und Eicher gearbeitet.
Manches Gute können wir in München von der seit
einigen Jahren bestehenden Buchbinderfachschule er-
warten, die unter der Leitung des trefflichen Zeichen-
lehrers Steinlein steht.

Es sollte in dieser kleinen Studie nichts Er-
schöpfendes, nichts Vollständiges geboten werden; es
sollte nur einmal auch an dieser Stelle darauf hin-
gewiesen werden, wie hoch sich die Buchbinderkunst
in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt hat,
und wie gerade München — wohl allein auf diesem
Gebiete — den übrigen Städten Deutschlands nach-
steht. Wir sprechen die poffnung aus, daß die An-
regungen, die wir durch die zahlreichen Illustrationen
dieses peftes ausstreuen, auf einen guten Boden
fallen, zu Nutz und frommen der deutschen und
speziell der Münchner Buchbinderkunst.

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