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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Vom Büchermarkt
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Dom Büchermarkt.

Batikarbeiten in verschiedenfarbigem Samt; Entwurf und Ausführung von
Irene Braun, München, (‘/4 der wirkl. Gr.)

besten gibt. Übrigens frappiert er auch in diesem
Abschnitte wieder durch sehr abfällige Urteile. Die
Rritik, die er an Raffaels Fresken in den Stanzen
übt, ist geradezu vernichtend. Besonders „das viel-
gerühmte Gemälde", der »Parnaß«! „Ich muß es
als das abgeschmackteste des ganzen Rreises be-
zeichnen", meint Heinrich pudor. (S. ^35.) Auch
die anderen Fresken kommen nicht viel glinrpflicher
davon. Wie recht hat doch Wölfflin mit seiner An-
sicht, daß das moderne Publikum Mühe habe, dem
künstlerischen Inhalt dieser Bilder gerecht zu werden!
Auch pudor kommt immer wieder daraus zurück,
daß es verfehlt sei, „Rirchengeschichte zu malen"
(S. !57); Wickhoffs „befreiender" Aufsatz sin den
Jahrbüchern der preußischen Runstsammlungen s893)
über diese Frage ist unserem Autor scheinbar un-
bekannt geblieben. Anerkennenswert aber ist immer-
hin, daß pudor sich wenigstens meist konsequent
bleibt: das, was er in seiitem ersten Abschnitt als

Quintessenz seiner Runstan-
schauung herausdestilliert hat
und dem geduldigen Leser
gläschenweise verabreicht, weiß
er inr zweiten Teil geschickt
wieder anzuwenden und mit
den monuinentalsten Beispielen
zu belegen.

Ähnlich auch inr dritten
Teil: „Laokoon und die mo-
derne Aunst". Ich möchte

hier, als für die Zwecke un-
seres Blattes anr besten ge-
eignet, vor allem den Absatz 8
„Architektur" (5. sSsi—s83)
herausgreifen. Pier liegt mei-
nes Trachtens der Schwer-

punkt von Pudors Rönnen - und Wissen. Auch
wirkt es sehr wohltuend, daß sich das Haschet: nach
neuen Effekten und Originalität unr jeden Preis

nicht gar so unangenehm geltend nracht, wie meistens
in den vorhergehenden Rapiteln des Buches. Steht
doch der Autor hier auch einmal auf einem allgenrein
anerkannteir Standpunkt, wenn er fordert, daß aus
denr Geiste des Materials heraus geschaffen werden
müsse! Nur das verzweifelte Rufen nach einem

neuen deutschen Stil — als besonders zweckmäßig
für das Reichstagsgebäude und den Donr (I) in
Berlin — ist etwas merkwürdig. Und ob tat-
sächlich „aus der Idee (!) des LisenMaterials der
moderne Architekturstil geboren werden wird", das zu
ergründen, wollen wir füglich Herrn pudor überlassen!
Was aber über die Berliner „Spreeuferbauten"
gesagt wird, unterschreibe ich — abgesehen von
dem „katholisch (!) wirkenden Reichstagsgebäude" —
Wort für Wort. Schultze-Naumburg hat also scheinbar

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