Architektur und Kleidung.
von ihm im buchstäblichen Sinn des Wortes zu ver-
körpernde Gestalt nicht nur durch feine Wortsprache
und durch seine Gebärdensprache darstellen, sondern
auch durch seine Maske und Uleidung. Wird dann
irgend eines dieser mehrfachen Mittel, statt ein
dienendes Glied der ganzen Darstellung jener Gestalt
zu sein, vielmehr Selbstzweck, so haben wir grund-
sätzlich den gleichen Fall wie bei solchen architek-
tonischen Ornamenten
oder kunstgewerblichen
Formen, die nicht aus
der Struktur des Gan-
zen herauswachsen,
sondern in isolierter
Willkür sich breit ma-
chen. Jenes geschieht,
wenn der Schauspieler
seine Worte vorwie-
gend nicht um des
Sprechens, sondern
um der Alangwir-
kung willen spricht,
wenn seine Gesten eine
„Schönheit" bekom-
men, die anderswo als
an ihrer zugehörigen
Stelle ebenso Vorkom-
men könnte, und end-
lich, wenn sein Ao-
stüm rein als solches
einen Effekt („Wirkung
ohne Ursache" nach
R. Wagner) machen
soll. Daß diese Sache,
wie nun einmal un-
sere Kultur ist, bei
Schauspielerinnen weit
mehr als bei Schau-
spielern in Betracht
kommt, liegt auf der
pand; und die hohen
Ansprüche, die gemei-
niglich an die Kostüme
einer Schauspielerin gestellt werden, würden prinzipiell
ganz richtig sein, wenn sie sich streng an jene
Tendenz hielten und nicht auf den Prunk an sich
gingen. Wie hier die Künstlerin in Wort und
Gebärde sprechen soll, so auch in „Maske" und
Kleidung; und wie sie im Maß ihrer künstleri-
schen pöhe ihre Rolle individuell ausgestaltet, eine
eigene Auffassung von dieser betätigt, ebenso wird
sie eine solche Auffassung auch im Kostüm betätigen.
Daß die „Ausstattungsstücke", speziell des in Berlin
bekannten „Adolf Ernst-Genres", das direkte Wider-
spiel einer solchen Kunst sind, bedarf wohl keiner
näheren Auseinandersetzung.
Nun ist es sowohl bei diesen Kleiderfragen der
Bühne wie auch bei denen des gewöhnlichen Lebens
merkwürdig (oder, wenn man will, nicht merk-
würdig), daß auch die Personen, die hier nach
Schönheit streben und für sie zur Aufwendung von
Mitteln, Zeit und Auf-
merksamkeit bereit sind,
eine Einsicht vermissen
lassen, die man auf
anderen Gebieten an-
gewandter Kunst doch
schon in einigem Maß
erworben hat. Wenn
ein Pausherr oder eine
Pausfrau ohne eigenes
künstlerisches Gefühl,
aber mit der Ab-
sicht, etwas „besonders
Schönes" zu haben,
das peiin einrichten
oder ausstatten will,
so wird die Einrich-
tung oder Ausstattung
in einem Möbel- oder
Dekorationsgeschäft
fertig gekauft oder
bestenfalls bestellt, etwa
mit Angabe der all-
gemeinen „Richtung",
des „Stiles" u. s. w.,
darin sie gehalten sein
soll. Die Wohnung
macht dann scheinbar
einen hervorragenden,
vornehmen, in Wahr-
heit aber jenen ab-
schreckenden Eindruck,
der unzertrennlich ist
von jedem Aufgebot
künstlerischer Mittel
ohne etwas Persönliches, dem sie Ausdruck geben
sollen. Künstlerisches Gefühl hingegen läßt, auch
wenn nicht gerade eine zeichnerische Fertigkeit des
Bestellers eigene Vorlagen schafft, das Ganze sowie
jeden einzelnen Bestandteil der Einrichtung und Aus-
stattung als ein besonderes Produkt der Bedürfnisse,
Wünsche, Anschauungen der betreffenden Person ent-
stehen. Natürlich kann diese nicht alles selber machen;
allein zwischen diesem Extrem und dem des fertigen
Bezugs aus einer Fabrik liegt eine weite Stufen-
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von ihm im buchstäblichen Sinn des Wortes zu ver-
körpernde Gestalt nicht nur durch feine Wortsprache
und durch seine Gebärdensprache darstellen, sondern
auch durch seine Maske und Uleidung. Wird dann
irgend eines dieser mehrfachen Mittel, statt ein
dienendes Glied der ganzen Darstellung jener Gestalt
zu sein, vielmehr Selbstzweck, so haben wir grund-
sätzlich den gleichen Fall wie bei solchen architek-
tonischen Ornamenten
oder kunstgewerblichen
Formen, die nicht aus
der Struktur des Gan-
zen herauswachsen,
sondern in isolierter
Willkür sich breit ma-
chen. Jenes geschieht,
wenn der Schauspieler
seine Worte vorwie-
gend nicht um des
Sprechens, sondern
um der Alangwir-
kung willen spricht,
wenn seine Gesten eine
„Schönheit" bekom-
men, die anderswo als
an ihrer zugehörigen
Stelle ebenso Vorkom-
men könnte, und end-
lich, wenn sein Ao-
stüm rein als solches
einen Effekt („Wirkung
ohne Ursache" nach
R. Wagner) machen
soll. Daß diese Sache,
wie nun einmal un-
sere Kultur ist, bei
Schauspielerinnen weit
mehr als bei Schau-
spielern in Betracht
kommt, liegt auf der
pand; und die hohen
Ansprüche, die gemei-
niglich an die Kostüme
einer Schauspielerin gestellt werden, würden prinzipiell
ganz richtig sein, wenn sie sich streng an jene
Tendenz hielten und nicht auf den Prunk an sich
gingen. Wie hier die Künstlerin in Wort und
Gebärde sprechen soll, so auch in „Maske" und
Kleidung; und wie sie im Maß ihrer künstleri-
schen pöhe ihre Rolle individuell ausgestaltet, eine
eigene Auffassung von dieser betätigt, ebenso wird
sie eine solche Auffassung auch im Kostüm betätigen.
Daß die „Ausstattungsstücke", speziell des in Berlin
bekannten „Adolf Ernst-Genres", das direkte Wider-
spiel einer solchen Kunst sind, bedarf wohl keiner
näheren Auseinandersetzung.
Nun ist es sowohl bei diesen Kleiderfragen der
Bühne wie auch bei denen des gewöhnlichen Lebens
merkwürdig (oder, wenn man will, nicht merk-
würdig), daß auch die Personen, die hier nach
Schönheit streben und für sie zur Aufwendung von
Mitteln, Zeit und Auf-
merksamkeit bereit sind,
eine Einsicht vermissen
lassen, die man auf
anderen Gebieten an-
gewandter Kunst doch
schon in einigem Maß
erworben hat. Wenn
ein Pausherr oder eine
Pausfrau ohne eigenes
künstlerisches Gefühl,
aber mit der Ab-
sicht, etwas „besonders
Schönes" zu haben,
das peiin einrichten
oder ausstatten will,
so wird die Einrich-
tung oder Ausstattung
in einem Möbel- oder
Dekorationsgeschäft
fertig gekauft oder
bestenfalls bestellt, etwa
mit Angabe der all-
gemeinen „Richtung",
des „Stiles" u. s. w.,
darin sie gehalten sein
soll. Die Wohnung
macht dann scheinbar
einen hervorragenden,
vornehmen, in Wahr-
heit aber jenen ab-
schreckenden Eindruck,
der unzertrennlich ist
von jedem Aufgebot
künstlerischer Mittel
ohne etwas Persönliches, dem sie Ausdruck geben
sollen. Künstlerisches Gefühl hingegen läßt, auch
wenn nicht gerade eine zeichnerische Fertigkeit des
Bestellers eigene Vorlagen schafft, das Ganze sowie
jeden einzelnen Bestandteil der Einrichtung und Aus-
stattung als ein besonderes Produkt der Bedürfnisse,
Wünsche, Anschauungen der betreffenden Person ent-
stehen. Natürlich kann diese nicht alles selber machen;
allein zwischen diesem Extrem und dem des fertigen
Bezugs aus einer Fabrik liegt eine weite Stufen-
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