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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Lasser, Moritz Otto von: Wohnhaus Baron W. v. Bissings in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0335

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Wohnhaus Baron W, v. Bissings in München.

erfreulich, es gehört wohl überhaupt mit zu den besten
von Münchens in der Gegenwart entstandenen Wohn-
häusern. Sein Reiz, den zum großen Teile Farben
bestreiten, ist in Worten schwer wiederzugeben; genug,
das kleine Aunstwerk spricht, aus dem Gemüt ge-
boren, wieder zum Gemüt, es heimelt an, man
möchte es gerne sein eigen nennen. Die eigenartigen
weichen Linien des Daches, der dekorativ bemalte
Erker, der kräftig betonte bjauseingang, sie sowie
viele andere Details zeigen die Handschrift eines
selbständigen und sehr geschmackvoll vorgehenden
Aünstlers. Nirgend Aufdringlichkeit, grobe Effekte,
überall jedoch Freude an der Farbe, sinnigem Orna-
ment, am Detail, das dem ganzen Gepräge verleiht.
Franz Ringer hat mit der farbigen Fassung des
niedlichen Häuschens wieder eine erfreuliche Probe
seines Aönnens gegeben.

Das ganze Haus ist übrigens schon auf einen
vornehmen Grundton abgestimmt durch die Lokal-
farbe, durch sein Aolorit, das als mattes Gelbgrau,
als ein der Rohseide verwandter Ton erscheint. Das
rotbraune Dach und viele gebrochene blaue Tinten
kommen recht apart dagegen auf. So z. B. die
blaugehaltenen, mit weißem Ornament geschmückten
Fensterläden usw. Das schräggestellte Balkon-
gitter erglänzt in Gold und Grün; die Balkontür
wird von ockergelben Basen — rote Blumen, grüne
Blätter enthaltend — bekrönt. Der Fries, der sich an
der Hohlkehle längs der Dächer hinzieht, erfuhr
ebenfalls eine feinsinnige und abwägende koloristische
Behandlung; grüne Aränze, blaue und grünlinige
Felder, gelbe Verzierungen auf Fassadegrund wechseln
in malerischer, freier Weise ab. Zur Malerei wurden
Aeimsche Mineralfarben auf trockenem putz ver-
wendet. Reich an Farbwerten und besonderer Note
ist vor allem der Erker; sogar der Humor trieb da
seine Blüten.

Doch reden wir zuerst vom hauptsächlichsten
Schmucke des Erkers! Den bilden wohl die vier
Porträts von Sophokles, Donatello, Raphael, Schiller.
Die Aöpfe, kranzartig umrahmt, sind gut gezeichnet
und flächig gemalt. Außerdem weist der Erker über
den Fenstern des zweiten Stockes gelbe Flächen sowie
keck hingezeichnete drollige Vögel auf. Zwischen den
Fenstern an den schmalen Streifen der Mauer
breiten sich blaue und grüne Ornamente, unten an
der Basis zeigt der Erker grüne und gelbe, auch
blaue Bemalung. Der Hauseingang, mit einem Vor-
dache versehen, ist teppichartig in Rot, Grün, Gelb,
Blau gehalten — als Grundton leuchtet immer das
matte Gelb der Fassade durch. Im übrigen ist die
Hof- oder Gartenseite, welche diesen Hauseingang
zeigt, nicht so reich mit Bemalung bedacht worden

540. Wohnhaus W. v. Bissing. München. (Mittelbau.) Um-
bau von L. R. Fi echt er, farbige Ausschmückung von Franz
Ringer, München.

als die der Straße zugekehrte Front. — Das Gitter,
das den Vorgarten von der Straße trennt, ist blau
bemalt; die Anäufe und oberen Längseisen sind ver-
goldet; das Tor schmücken goldene Ringe.

Es fällt vielleicht auf, daß wir in unfern: Be-
richt so viel von Farben, verhältnismäßig wenig da-
gegen von Formen sprechen. Unser Vorgehen
erscheint aber durch das Objekt, welches wir schil-
derten, gerechtfertigt. Besticht doch Fiechters Schöpfung
rnehr durch ihren malerischen Dekor denn durch
zeichnerische, formale Einfälle. Daß der junge Rünstler
jedoch auch den: Formalen Reize abzugewinnen ver-
steht, bewies er durch die bewegten Fornren der Be-
dachung, die Gliederung der Fassade, die Gestaltung
der Mittelpartie usw.

Schade, daß dem Hause kein größerer Vorplatz
gewonnen werden konnte! Traurig, daß sich daneben
Hölzles Bau erhebt, statt reizvoller Baumgruppen
und ähnlichem.

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