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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Roessler, Arthur: Ludwig Richter: zu des Künstlers hundertstem Geburtstag: 28. September 1803 - 28. September 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0344

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Ludwig Richter

545. Holzschnitt nach Ludwig Richter (aus I. p. Hebels
alemannische Gedichte", Leipzig, Gg, Wigand, 4850 geschnitten
von ©aber, (Wenig verkleinert.)

sich in den: bsinterstübchen seines Großvaters, das
vollgekrantt war mit wunderlichen Geräten, Instru-
menten und Apparaten, und in dem an hundert
Uhren ein rastlos durcheinanderklingendes Ticken
verübten, an gewissen Tagen zusammenfanden, und
geheimnisvoll über fragen der Goldmacherei unter-
hielten, deren Ltudium der Großvater mit Leiden-
schaft ergeben war.

Das besondere Leben und Treibeit und die ab-
und zugehenden kuriosen Gestaltet: in: großelterlichen
bjause blieben Ludwig Richter unvergeßlich bis in
sein spätestes Alter. Im vergleich zu diesen nach-
haltigen Gindrücken, sind die im Vaterhaus emp-
fangenen nüchtern zu nennen.

Im \2. Lebensjahr Hub für Richter das ernste
Leben an. Infolge der Kriegsdrangsale unterblieb
der weitere Besuch der katholischen Lchule; die Lchul-
bank wurde nrit dem Docker! an des Vaters Arbeits-
tisch vertauscht; denn daß Ludwig Richter, gleich
seinen männlichen Vorfahren, Zeichner und Kupfer-
stecher werden sollte, war eine wortlos ausgemachte
Lache. Richters Vater war in jener Zeit mit der
Anfertigung großer Blätter für den Fürsten Czarto-
riskp beschäftigt, mußte jedoch, da die Bezahlung
dafür keine reichliche war, nebenbei noch Bildchen
aktuellen Inhalts für Volkskalender und ähnliche
Publikationen radieren, hierbei durste ihm nun
Ludwig Richter helfen. Gr arbeitete vorerst nach
Vorlagen, doch währte es nicht lange bis er im-
stande war nach der Natur zu zeichnen und zu
radieren. Allerdings sahen auch die von ihm vor

der Natur geschaffenen Blätter noch unnatürlich
genug aus. Grst die Fügung, die dem jungen
Richter in einer Kunsthandlung ein l)eft mit gut
radierten Landschaften voll seinen Naturgefühls von
der lhaud I. T. Grhards finden ließ, befreite ihn
aus dem zöpfischen Manierismus und veranlaßte
ihn nach Lofchwitz hinaus zu pilgern und in der
neuen Art nach der Natur zu zeichnen. Die Gr-
hardschen Blätter übten einen starken Ginfluß aus
Richters künstlerische Gntwicklung aus und blieben
sein Leben lang seine steten Begleiter und Berater,
die immer auf seinem Arbeitstisch lagen und nach
denen er all seine Lchüler das Zeichnen beginnen ließ.

Gin zweiter merkwürdiger Umstand sollte Richter,
indem er ihm zu einem Gönner verhals, in seiner
künstlerischen Gntwicklung sehr fördern. Gincs Tages
nämlich kam zu Richters Vater der Buchhändler
Christoph Arnold, um die Herausgabe eines großen
radierten Werkes zu besprechen. Ludwig Richter war
bei dieser Unterredung zugegen; sein Anblick wirkte
auf Arnold auffällig: der Mann wurde ernst und
sprach mit einen: seltsam bebenden Ton in der
Ltimme freundlich mit dem jungen Menschen. Wie
er nachher dein: Weggehen den: alten Richter gestand,
war er an seinen vor unlanger Zeit verstorbenen
Lohn erinnert worden durch die frappante Ähnlich-
keit Ludwigs mit jenem.

Nach einer siebeninonatlichen Reise über Ltraß-
burg und Marseille nach Nizza, als Zeichner des
Fürsten Narischkin, Oberstkämmerer der Kaiserin
von Rußland, erhielt Ludwig Richter von Arnold auf
die Dauer dreier Jahre ein Ltipendium von jährlich
q.00 Talern zu einem Ltudienaufenthalte in Ron:.

546. Schlußstück, Holzschnitt aus „Bilder
und Vignetten" von Ludwig Richter.

Man kann es sich denken, wie die Aussicht nach
Ron: zu ko:nn:en, wo bereits die deutschen Nazarener
Cornelius, Veit und Lchnorr und Overbeck in der
Villa des Fürsten Massimi die Freske:: zu Dantes
„Göttlicher Komödie", zu Taffos „Befreitem Ierufa-
lenr" und zu Ariosts „Roland" zun: Teil noch
malten, zum Teil schon beendet hatten, auf das
Gemüt des junge«: Richters wirkte. Auch er also
sollte in das bjauptlager der neudeutschen Bewegung

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