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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 53.1902-1903

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Roessler, Arthur: Ludwig Richter: zu des Künstlers hundertstem Geburtstag: 28. September 1803 - 28. September 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.7001#0348

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Ludwig Richter.

malerischer ^orm die Schönheit des Lebens und seiner
Erscheinung, selbst in den kleinsten und gewöhnlichsten
Gegenständen aufzudecken? Die Liebe macht ja alles
bedeutend und wirft einen pimmelsschimmer auf alles,
was sie betrachtet. Was sie anrührt, wird Gold". Es
läßt sich gar nicht sagen, was Richter alles zeichnete;
aber es läßt sich sagen, daß er alles liebevoll
zeichnete mit einer keuschen Liebe, und daß eine sanfte
Friedensstimmung und Güte in seinen Darstellungen
enthalten ist, wie sie nach ihm von keinem Künstler
inehr den: Bilde verliehen werden konnte, weil sie
wohl voll keinein mehr so innig und rein erfühlt
worden war. „Jenes berühmte ,deutsche Gemüll
mit dem Andere so viel Mißbrauch trieben, hier ist
es wirklich", wurde gelegentlich einer Besprechung
Richterscher Blätter gesagt.

Dies vielgeschmähte und dennoch so wundersam
rührende deutsche Gemüt ist es auch, das Richter,
den Mann mit dem liebevollen Perzen und der
schlichten Empfindung, deni Gefühle und dem Ver-
ständnis des deutschen Volkes so sehr nahe brachte
und unersetzlich machte. Und darum auch liegt der
Schwerpunkt seiner Bedeutung in seinen Merken für
vervielfältigende Künste.

Der Holzschnitt als einfache Darstellungsart ver-
mochte am besten die Einfachheit der seelischen Emp-
findungen Richters dem Volke zu vermitteln. In
seinen polzschnittsolgen, von denen wir in diesem
pefte einige Proben abdrucken, schuf er seine dauern-
den Merke.

Die Technik der Holzschneidekunst ebenso wie
die der Glasnlalerei, war, wie V. p. Mohn aus-
führt, in Deutschland verloren gegangen. Für
die Wiederbelebung der Holzschneidekunst waren
die ersten Bahnbrecher Unger, geb. zu Goes
bei Pirna in Sachsen s7s3, gest. in Berlin
s783, und dessen Sohn Johann Friedrich
Unger, geb. s730 in Berlin, gest. daselbst s80H;
ferner Gubitz, geb. i 786 in Leipzig, und Unzel-
mann, geb. s7st8, gest. s85^ in Berlin, und dessen
Schüler Albert Vogel. Von den beiden letzteren
stammen die vorzüglichen Holzschnitte zu Kuglers
Geschichte Friedrichs des Großen nach den Zeich-
nungen Menzels. In England ist der eigentliche
Vater des Holzschnittes der Kupferstecher Thomas
Berwick in London, geb. {733, dem die Gebrüder
Byfield folgen. Es entwickelte sich nach und nach
eine bedeutende polzschneiderfchule in London. Georg
Wigand nun, für den Richter sehr viel arbeitete,
veranlaßte eine Reihe von Holzschneidern dort, nach
Leipzig zu übersiedeln, um für seinen Verlag zu
arbeiten; wir nennen hier nur Nichols, Benworth,
Allanson, Appleton. Drei von ihnen führten zunächst

550. Holzschnitt aus „Unser täglich Brod" von Ludw. Richter;
geschnitten von Gocht. (Verlag von I. h. Richter. Dresden.)

Wenig verkleinert.

deckigen Stuben, die lauschigen Lauben, die krummen
Gäßchen mit den alten, spitzgiebeligen? betürmten
und geerkerten päusern und das Tuit und Treiben
der Menschen darin zeichnete er. Mit köstlichenr
pumor hat er z. B. in der „Bürgerstunde" jAbb. 35p
die Eindrücke künstlerisch verwertet, die er beim Ver-
lassen der Bürgerstube des Loschwitzer Gasthofes
empfangen hatte, wo er allsommerlich an einem be-
stimmten Mochenabend mit Freunden zusammentraf.
Angesichts eines solchen Bildchens versteht man
Richters Vorliebe für Jean Paul, der Richter zu der
Frage anregte: „Ist es tiicht verdienstlich, auch in

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