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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Berlepsch-Valendàs: Der neue Bodenseedampfer "Lindau"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0018

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Der neue Bodenseedampfer „Lindau".

gehen auf dahin abzielenden Vorschläge^) So blieb
denn die Decke des Salons in ihrer vollen kon-
struktiven Erscheinung sichtbar. Sie gab den Ton
an für die Behandlung aller übrigen Teile, die aus
den beigegebenen Illustrationen deutlich erkennbar
sind. Nur über die Farbenstimmung und die ver-
wendeten waterialien noch ein Wort. Decke und
wände sind (unter dezentester Anwendung einiger
Linien in Gold) weiß gehalten, die Ljolzteile der
Wobei in lichtgelbem Birnbaumholz mit hellgrauen
Intarsien ausgeführt, der Boden in einem kräftig
wirkenden Rot gehalten. Die Bezüge der Sitze in
hechtgrauem Velvet, Fassung und getriebene Ein-
lagen der Spiegel sowie die wand- und Decken-
beleuchtungskörper in hellgelbem Messing, in gleichem
Material auch die Verbindungsstücke der Stützen
unter den in voller Raumlänge sich hinziehenden,
die Querrippen stützenden T-Eisen. Die Kajüte
zweiter Klasse, bisher meist in imitiertem Eichen-
holz gestrichen, wurde zu einem inenschlich bewohn-
baren Raum gemacht, der Anstrich in weiß, Rot,
Grün und Schwarz mit dezenter Anwendung orna-
mentaler Beigaben ausgeführt. — Die neben den:
Salon erster Klaffe rechts und links von der Zu-
gangstreppe liegende Rauch- und Damenkabine2)
bekamen, was die erste betrifft, wöbel und Wand-
bekleidung in Vogelahorn mit Einfassungen und
Einlagen in Grau gebeizter Wassereiche, Bezüge in
graublauem Rips, wände licht graugrün, Boden
tief rotbraun. Die andere erhielt Mahagonigetäfel
mit Eschenholzintarsien, graugelben sdolsterbezug,
elfenbeinfarbenen lackierten wand- und Decken-
anstrich, blauschwarzen Boden. Der Treppenzugang
zu diesen Räumen vom Deck her, sonst immer in
dunklen Naturhölzern ausgeführt, erhielt blau-
schwarzes Rahmenwerk, stumpfgrüne Füllungen
mit einem weiß gehaltenen Wellenlinienmotiv und
dem in Gold gehaltenen Initial L, wogegen die
Decke in kräftigem Rot mit leichtem (Ornament
in weiß, Unterzüge tiefblau, gehalten ist, so daß

') Die Gesamtaussührung des Salbsalonbootes „Lindau"
war von der Kgl. Staatsregierung an die bekannte Maschinen-
fabrik Massei in München vergeben. Diese wiederum be-
traute mit dem innern Ausbau des Schiffes die Firma Jos.
Rathgeber, und von letzterer wurde Autor dieses mit den Ent-
würfen für die dekorativen Teile beauftragt, die indes samt
und sonders vor ihrer Ausführung der Begutachtung Sr. Txz.
des Ministers v. Frauendorfer und einer Reihe von behörd-
lichen Fachmännern unterbreitet werden mußten. — Die tadellos
exakte Ausführung der Möbel und Maler- wie Taxezierarbeiten,
sowie aller Messinggußteile geschah in der Waggonfabrik Jos.
Rathgeber in München, die Beleuchtungskörper lieferte w in-
hart & L o., ebenfalls in München.

s) Leider ließen sich diese Räume der Lichtverhältnisse
wegen nicht photographieren.

gegenüber der ganz lichten Kajüte ein kräftiger
Kontrast entstand. Alle Möbelfornten sind glatt ge-
halten, nirgends springen Gesimse oder Leistenwerk,
wie es in den älteren Dampfern im Überfluß vor-
handen ist, über die polierten t)olzflächen vor. Das
Schwergewicht der Wirkung blieb der Farbe über-
lasten, die als Flächenerscheinung ohnehin nicht in
Widerspruch zu den baulichen Formen des Fahr-
zeuges treten konnte. In diesem Sinne wurden atlch
andere Räume, wie die Kapitänskoje, behandelt, nur
in die Küche kam ein kjerd, an dessen Kanten sich
bronzierte und ausgenietete Akantusranken in durchaus
überflüssiger weise bemerkbar machen. Daran bin
ich ebenso unschuldig wie an den: jDorzellanservice
der Eßtische, auf deren Rand in lithographischem
Druck die Abbildung eines Dantpfers sich befindet.
Es fei „vorzügliches Porzellan" wurde mir geant-
wortet, als ich diese geschmacklosen Eßgeräte, Produkte
einer „in allen Stilarten arbeitenden" renommierten
Fabrik, zu Gesicht bekam. —- Den neuen Dampfer
unterscheidet noch etwas von den Fahrzeugen älterer
Gattung: der äußere Anstrich. Er ist durchweg
weiß, nur über der Wasserlinie zieht sich ein roter
Streifen hin, während der bisher übliche Farbton
in einem trüben Graugelb, Schiffsschale grün und
schwarz, bestand. Der Dampfer wird schwerlich je-
ntals in einem Krieg der Bodenseestaaten als Kanonen-
boot Verwendung finden; er braucht also jene Be-
dingungeit nicht zu erfüllen, die hinsichtlich der
Farbe an einen k^ochseepanzer oder Kreuzer gestellt
werden. Die Erscheinung des neuen Schiffes hat
ihm alsbald einen Spitznamen zugezogen: man

nennt es „das Bodenseegigerl", ein Scherzwort, das
man im vorliegenden Falle leicht hinnehmen kann.

Berlepsch-Valendäs.

7. Zierleiste von Rnd. Sch lestl, München.
 
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