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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Gmelin, Leopold: Ausstellung für angewandte Kunst, München 1905, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0028

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Ausstellung für angewandte Kunst, München J905.

2\. Schlafzimmer. Entwurf von j)aul Haustein, Stuttgart. Ausführung (Fichtenholz,
weiß lackiert und schabloniert, mit polierten Messingbeschlägen) von den „Der. Merkst, s. K. i.
Schablonicrarbeiten von Fr. Rock, Stuttgart.

sich mit dem Schmuck der natürlichen bjolzmasern
begnügt, während man die Schnitzerei völlig beiseite
liegen lästig und die Intarsia so eingeschüchtert hat,
daß sie sich kaum mehr zu flüstern getraut. Es sieht
ntanchmal fast so aus, als habe die schmückende
Phantasie schmollend ihre bfand vom Mobiliar
zurückgezogen und der Magd (Konstruktion das Feld
allein überlassen, so daß nian sich nicht darüber
wundert, aus dem Munde unbefangener Besucher die
Morte zu vernehmen: „Mo ist denn da die ,an-
gewandte Dunst'? — Das sieht eher aus, als ob
sich die ,Dunst' davott ,ab gewandt' hätte." Und
der noch nicht ganz vernüchterte björer sieht sich vor
die Frage gestellt: „Dind wir wirklich so entnervt, daß
wir auch nicht die kleinste Tanzbewegung mehr ver-
tragen, — oder so arm, daß wir uns auch das be-
scheidenste geschnitzte Grnament nicht mehr leisten
können?" bjat man früher ungebührlich hohen Mert
auf ornamentale Ausschmückung gelegt, so geht man
heute in dem entgegengesetzten Bestreben zu weit.
Der Alkoholismus ist gewiß vom Übel — auch in
der Grnamentierkunst; aber die vollständige Tem-

? Eine einzige Ausnahme macht das — allerdings nicht
mehr neue — Damenzimmer von jdankok.

perenz wird auf die Dauer
ebenso fad und langweilig
wie die Fasterei des bfunger-
künstlers.

Außer jener auf größt-
mögliche Einfachheit des
Mobiliars hinzielenden
Neigung geht noch in an-
derer Einsicht ein gewisser
gemeinsamer Tharakter-
zug durch die Mehrzahl
der Räume: mit wenigen
Ausnahmen ist jeder für
sich ganz vortrefflich in
den Farben zusammenge-
stimmt — natürlich wenn
Maler das Regiment ge-
führt haben. Zumeist geben
drei gut zusammenpassende
Farben die Grundmelodie
an, die dann in der glei-
chen Tonart, aber in an-
deren Lagen, variiert wird.
Die einmal kräftig an-
geschlagenen Töne kehren
— mehr oder minder ver-
ändert oder verstreut •—
in den sOolstern, im Mand-
bezug, im Getäfel rc. wie-
der; ja manche Bilder an den Mänden scheinen
eigens danach gemalt zu fein, daß den im Raum
herrschenden Farben daraus ein Echo entgegentönt.
Niemeyers Schlafzimmer. Beckeraths Herrenzimmer,
Drügers Damenzimmer sind besonders treffende Bei-
spiele hierfür. — Begreiflicherweise inacht indessen die
im allgemeinen spärliche Verwendung von Bildern
jenen Malern Dummer, die sich auf den Erwerb
aus der Malerei allein stützen, denn diese Art Raum-
kunst scheint z. B. gar nicht mit großen Ölbildern zu
rechnen, da diese Räume sich meist mit wenigen kleinen
Mlbildchen, Aquarellen, Radierungen, Lithographien,
Darikaturen begnügt haben und dabei im ganzen
nicht schlecht fahren. — Auch die Dekorationsmalerei
scheint aufs Trockene gesetzt zu sein; in der Aus-
stellung hatte sie offenbar keine Gelegenheit, sich zu
betätigen. Menigstens schaut man sich nach Leistungen
auf diesem Gebiet vergeblich um. Denn Erlers
Eopraporten gehen weit über das Echaffensgebiet des
Dekorationsmalers hinaus, und die spärlichen auf-
schablonierten Mrnamentchen in einzelnen Räumen
kann man nicht als Dekorationsmalerei bezeichnen.
 
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