Technik und Aesthetik.
67. Brunnen von Alfred Gottschalk. (Untersberger Marmor
und Bronze.)
und mehr überschattet und erdrückt. Durch eben diese
Breite der Bleiruten erhalten die Konturen noch
einen etwas schwerfälligen Charakter, der eine allzu
extravagante uitd bizarre Linienführung verbietet.
Bizarre, buchtige, gezackte Linienführung verträgt sich
aber ebensowenig mit den musivischen Prinzipien der
Aunstverglasung. Denn die einzelnen Mosaikteilchen
sollen aussehen, wie durch gegenseitigen Druck in
ihrer Lage und Gestalt bestimmt und festgehalten.
Als Resultat solch ausgeglichenen Druckes ergeben
sich aber fast nie gezackte und ausgefranzte Linien,
sondern ruhige, schlanke, die sich wie flachgepreßt
zwischen den Gläsern hindurchziehen. Offenbar tut
sich nun auch die Technik mit den vielfach gebrochenen
und gewundenen Linien recht schwer. Die brauchen
viel mehr Arbeit beim Biegen des Bleis und beim
Zusammensetzen, und schon das Schneiden des Glases
ist da ungleich komplizierter; trotz größter Vorsicht
brechen die Stücke nicht selten. Überlegen wir die
Sache genauer, so erkennen wir, daß die weichlich
gebogenen Stücke überhaupt einen unglasmäßigen
Charakter haben. Das Glas ist im Gegenteil spröde,
splitterig, und seiner Eigenart entsprechend müssen
auch die Konturen gezogen werden. Das fordern
Ästhetik wie Technik im gleichen Sinne.
Wo einmal das Mosaikprinzip gewählt wurde,
da verlangt es, allgemeines Hormungsgesetz und in
jedem Teile angewendet zu werden. Das flächige
Bild soll daun durchaus Mosaik sein, indem es sich
zerlegt in lauter Teilstücke, die weiter nicht mehr
teilbar sind. Diese Teile stellen also durchweg relativ
einfache und geschlossene Figuren dar. Mären sie
weniger einfach und geschlossen, wären sie nicht streng
um einen Mittelpunkt konzentriert, so könnten sie deni
Auge noch nicht als letzte Teilungsprodukte erscheinen;
sie wären verhältnismäßig kompliziert, ohne daß
die Kompliziertheit auf deni hier einzig gültigen, deni
musivischen Wege erzielt wäre. Das Auge beruhigt
sich solcherart Figuren gegenüber nur, wenn auch die
letzte Teilung noch vollzogen wird, und zwar an der
68. lUaitbbnmneu von Paul Thier sch, mit Freskogemälde
von Linda R ö g e l.
38
67. Brunnen von Alfred Gottschalk. (Untersberger Marmor
und Bronze.)
und mehr überschattet und erdrückt. Durch eben diese
Breite der Bleiruten erhalten die Konturen noch
einen etwas schwerfälligen Charakter, der eine allzu
extravagante uitd bizarre Linienführung verbietet.
Bizarre, buchtige, gezackte Linienführung verträgt sich
aber ebensowenig mit den musivischen Prinzipien der
Aunstverglasung. Denn die einzelnen Mosaikteilchen
sollen aussehen, wie durch gegenseitigen Druck in
ihrer Lage und Gestalt bestimmt und festgehalten.
Als Resultat solch ausgeglichenen Druckes ergeben
sich aber fast nie gezackte und ausgefranzte Linien,
sondern ruhige, schlanke, die sich wie flachgepreßt
zwischen den Gläsern hindurchziehen. Offenbar tut
sich nun auch die Technik mit den vielfach gebrochenen
und gewundenen Linien recht schwer. Die brauchen
viel mehr Arbeit beim Biegen des Bleis und beim
Zusammensetzen, und schon das Schneiden des Glases
ist da ungleich komplizierter; trotz größter Vorsicht
brechen die Stücke nicht selten. Überlegen wir die
Sache genauer, so erkennen wir, daß die weichlich
gebogenen Stücke überhaupt einen unglasmäßigen
Charakter haben. Das Glas ist im Gegenteil spröde,
splitterig, und seiner Eigenart entsprechend müssen
auch die Konturen gezogen werden. Das fordern
Ästhetik wie Technik im gleichen Sinne.
Wo einmal das Mosaikprinzip gewählt wurde,
da verlangt es, allgemeines Hormungsgesetz und in
jedem Teile angewendet zu werden. Das flächige
Bild soll daun durchaus Mosaik sein, indem es sich
zerlegt in lauter Teilstücke, die weiter nicht mehr
teilbar sind. Diese Teile stellen also durchweg relativ
einfache und geschlossene Figuren dar. Mären sie
weniger einfach und geschlossen, wären sie nicht streng
um einen Mittelpunkt konzentriert, so könnten sie deni
Auge noch nicht als letzte Teilungsprodukte erscheinen;
sie wären verhältnismäßig kompliziert, ohne daß
die Kompliziertheit auf deni hier einzig gültigen, deni
musivischen Wege erzielt wäre. Das Auge beruhigt
sich solcherart Figuren gegenüber nur, wenn auch die
letzte Teilung noch vollzogen wird, und zwar an der
68. lUaitbbnmneu von Paul Thier sch, mit Freskogemälde
von Linda R ö g e l.
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