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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0109

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

und volbein wurden in den letzten Jahren beseitigt. Es gibt
aber auch zahlreiche Fälle von Korrekturen, die von den Meistern
der Bilder selbst herrühren; und einer der interessantesten Fälle
liegt vor bei den berühmten vier Aposteln von Dürer. Diese
Bilder sind zwar erst kurz vor dein Tod des Meisters vollendet
worden; sie gehen aber auf die ganz frühe Zeit zurück, wahr-
scheinlich hat Dürer die Anregung dazu von dem Altarbild
des Giovanni Bellini in der Frarikirche in Venedig erhalten,
auf dessen Flügeln in ähnlicher weise peiligengestalten dar-
gestellt sind. Dürer vermachte dieses Hauptwerk seines Lebens
seiner Vaterstadt, ^526, kurz vor seinem Tode; als aber Kur-
fürst Maximilian iin 30 jährigen Krieg diese Bilder als Dotation
von der Stabt beanspruchte, da mußten erst religiöse Skrupel
durch Beseitigung der als „protestantisch" angesehenen In-
schristen beschwichtigt werden. Andere tiefer greifende Ände-
rungen hat aber Dürer noch selbst vorgenommen, besonders an
seinem Paulus, während er bei dein Johannes, von Todes-
angst gepeinigt, nur noch hastig arbeiten konnte; ursprünglich
war der Kops des Paulus viel kleiner — der Meister hat
später den Pinterkopf vergrößert und die ursprüngliche Profil-
stellung verändert. Aus beiden Bildern sind die zweiten Apostel
erst eine spätere Zutat Dürers. — Redner wies in ähnlicher
weise auch Meisterkorrekturen an Bildern von Kranach, Rubens,
velasquez, Iordaens u. a. nach — Ergänzungen, Anflickungen,
Übermalungen, lauter Zeugnisse für das Streben nach Vervoll-
kommnung, das diese Meister beseelte. — Der Vortrag, welcher
bei der zahlreichen Zuhörerschaft lebhaftes Interesse erweckte,
war von einer Reihe trefflicher Photographien begleitet, die die
Ausführungen des Redners bestätigten. — Der {. Vorstand,
Prof. E. Pfeifer, machte alsdann noch einige Mitteilungen
betreffend Festgaben und Wettbewerbe zum nächstjährigen
Schützenfest.

vierter Abend — den 28. November — Vortrag von
Major a. D. I. Bau mann: „Line Reise von Suez nach dein
Sinai". Man ist es längst gewohnt, daß die Vorträge des viel-
gereisten Mannes eine berechtigte Anziehungskraft ausüben,
und so wurden auch dieses Mal die hochgespannten Erwartungen
der zahlreich versammelten Zuhörer vollauf befriedigt, als sie
der Redner durch die von Granit und Sand bedeckte Sinai-
Halbinsel geleitete, die Landschaft mit Karawanen, Kamelen,
Beduinen, Palmen, Zeltlager, mit dein Sinaikloster, den Fels-
tälern und deii schroffen Gipfeln im Bilde vorführte und das
alles mit einer Fülle von geschichtlichen, biblischen, ethnogra-
phischen Bemerkungen begleitete. Die bedeutsaiiisten Erläute-
rungen knüpften ail die biblische Geschichte an. Im \6 und
\7. Jahrhundert v. Ehr. waren semitische Nomaden aus dem
hungernden Kanaan an den Nil gekommen, wo ihnen die Land-
schaft Gosen zum Aufeiithalt angewiesen wurde, die sie dann
etwa vier Jahrhunderte bewohnten, bis sie infolge der immer
härter werdenden Bedrückung durch die Ägypter, besonders
unter Ramses II., sich zuin Auszug entschlossen, den sie auch
unter Moses' Leitung, während der Regierung des Menexta
erzwangen. Die Erzählung, daß die Israeliten durch das
Rote Meer gegangen seien, gewinnt für jeden an Wahrschein-
lichkeit, der das seichte, schilfige Wasser des Meeresarmes west-
lich vom Sinai gesehen; aber über den Berggipfel, von welchem
Moses die zehn Gebote herabgeholt hat, sind die Gelehrten
nicht einig. Die einen nehmen den durch seine wildromantische
Felsszenerie und seine steilen Gipfel ausgezeichneten, 2052 m
hohen Serbal dafür, die anderen den 2250 m hohen Djebel
Musa („Berg Moses"), an dessen Seite, x300 m hoch, das im
6. Jahrhundert von Iustinian gegründete Katharinenkloster

liegt, worin um die Mitte des letzten Jahrhunderts die älteste
Bibelhandschrift —- aus der Mitte des Jahrhunderts — ge-
funden wurde, die sich jetzt in Leipzig befindet, von dem Aus-
sehen des Klosters und von der Besteigung der beiden Paupt-
gipfel des ganzen Sinaigebirges gab der Vortragende ebenso
lebendige Schilderungen, wie von den nomadisierenden Be-
wohnern des umliegenden Landes, den Palmenhainen und den
Wüstenstrecken; und als nach fast zweistündiger Schnellreise
der Vortrag sein Ende fand, da hatte man kaum bemerkt, wie
rasch die Stunden zerronnen waren. Den Dankesworten des
Vorsitzenden fügte wohl jeder Zuhörer den stillen Wunsch bei,
den Redner auch iin nächsten Jahre wieder zu hören.

Fünfter Abend — den 5. November — Vortrag von Maler
Walt. Ziegler: Zufallsformen als Flächen sch muck (mit
Ausstellung und farbigen Lichtbildern). Redner ging davon aus,
daß der Zufall einen ganz maßgebenden Faktor in der Geschichte
der Erfindungen und ebenso iin Kunstgewerbe spielt; er wies
darauf hin, wie auch bei den Naturgebilden der Zufall, die
äußeren Einffüffe auf deren Gestaltung einwirkcn, so daß man
z. B. nie zwei ganz gleiche Blätter finden wird. Bei der Aus-
fchmückung einer Fläche mit dekorativer Fleckenerscheinung kann
der Künstler bewußt konzipierend Vorgehen oder er kann die
physikalischen Eigeiischaften des Arbeitsmaterials gewissermaßen
automatisch wirken lassen und dabei nur beeinflussend eingreifeu,
der sogenannte Kleisterinariiior, wie er schon längst als Bunt-
papier hergestellt wird, ist dafür ein sprechendes Beispiel. -—
Im weiteren schilderte der Vortragende die Perstellung von
Buntpapier; die Farbstoffe werden, geeignet vorbereitet, auf
eine halbflüssige, schleimige Schicht aufgebracht, hierauf mittels
Stäbchen, Kämmen 2c. verzogen und schließlich durch Auslegen
und Wiederabheben von Papier auf dieses übertragen. Auch
durch Anwendung von Spitzgittern, Schwämmen, Sägespänen rc.
können Varianten hervorgerufen werden. Andere Zufalls-
formen beruhen auf der Adhäsion, wie auch die besonders in
Sandstein-Lagerflächen häufigen Dendriten. — Der zweite Teil
des Vortrags betraf ein vom Redner ausgedachtes und gesetz-
lich geschütztes Verfahren, welches die außerordentliche Varia-
tionsmöglichkeit eines und desselben Musters mittels Anwendung
von nur zwei Druckplatten ausnutzt, indem teils durch Ver-
schiebung der Symmetrieachsen, teils durch (p Herstellung stets
wieder neue Kombinationen entstehen, die zu einer geradezu
grenzenlosen Manchfaltigkeit führen; dabei wird aber aller-
dings der künstlerischen Mittätigkeit nur ein sehr bescheidener
Raum gewährt. — Zum Schluß erwähnte Redner noch die
von Mto Lckmann und Ignaz Taschner verwerteten Zufalls-
zeichnungen, wie sie die Natur gelegentlich entstehen läßt, wenn
Gläser, Gefäße, Schatten 2c. in das Lichtspiel eingreifen; denn Luft
und Wasser, Feuer und Erde wetteifern darin, dem Menschen
Formengebilde vorzuzaubern. — Außer einer ungezählten Menge
von Proben der Zufallskünste des Vortragenden, war an diesem
Abend im Kneipzimmer eine größere Reihe von Arbeiten der
„Freien Vereinigung Münchener Kunststudierender" ausgestellt,
die viel Gutes enthielt und auf die wir über kurz oder lang
zurückzukommen gedenken.

Zweiter Nachtrag. Erst unmittelbar vor Redaktions-
schluß erhalten wir Kenntnis von dem vollständigen seitens des
Schützenfeft-Ausschuffes erlassenen Preisausschreiben; daraus geht
hervor, daß außer den S. 7 7 genannten Dingen noch Speisen-
und Weinkarte, Bankettkarte, Guartierkarte, Flaschenetiketten,
Preisfahnen oder Preisstandarten verlangt werden, wobei
Preise von 30— joo M. in Aussicht stehen. Die Preise für
Feftzeichen und Festkarte bewegen sich zwischen 50 und 200 M. -X-

verantw. Red.: Prof. £. GmeIin. — herausgegeben vom Bayer. Runstgewerbeoerein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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