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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Bröcker, Paul: Das Wesen der Gewerbekunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0244

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Das Wesen der Gewerbekunst.

5^8. Modell („Luitpoldlinde") von Georg Z eitler.

der moderne Entwicklungsgedanke. Hut seiner Hilfe
läßt sich jenes Grundsätzliche in dieser ^orm aus-
bauen :

Die Architektur symbolisiert deshalb, wie jede
sog. angewandte Dunst, weil sie einer wirtschaftlich-
realen Nützlichkeit dient, Gebrauchsgegenstände schasst.
Der Zweck, für den diese bestimnit sind, ist ästhetisch
geläutert und bedingt deshalb eine entwickeltere, ge-
läuterte Zweckform, eine künstlerische Form des Gegen-
standes. Der zuin Ausdruck der Zdee nicht mitver-
arbeitete Stoff muß überwiegen, weil auch der pro-
fane Zweck den idealen — Gestaltung der sich bilden-
den Zdee — noch überwiegt und einfach das meiste
Material als seinen Anteil für sich nimmt. Zn dem
HTafe, wie der Zweck des Gebrauchsgegenstandes
durch den wachsenden sDersönlichkeitsgehalt im Men-
schen geläutert wird, nähert sich dieser profane Zweck
dem idealen. Und je künstlerischer muß auch die
Form sein, uni zweckmäßig zu sein. So entwickelt sich
der profane Zweck immer mehr zur reifen, von aller

Gegenständlichkeit, vulgär-wirtschaftlichen Nützlichkeit
befreiten künstlerischen Idee. Und zugleich entwickelt
sich der Gegenstand der Gebrauchskunst zu einem
Gegenstände der hohen Dunst. — So führt eine
Entwicklungslinie vom Bauernstuhl zu Dlingers
Beethoven!

Hieraus geht auch hervor, daß man sich eigent-
lich hüten sollte, Gewerbekunst als angewandte Dunst
zu bezeichnen. Das Mort stammt aus der Stilreiterei
und der Herrschaftsperiode des unwahren Ornamentes.
Damals wandte man die Ergebnisse hoher Dunst
auf die Gebrauchskunst an. Gewerbekunst ist nicht
durch etwas hohe Dunst verschönertes Gewerbe,
sondern die hohe Dunst ist die entwicklungsmäßige
Fortsetzung der Gewerbekunst — ihr Dind, nicht ihre
Mutter — ; und die Gewerbekunst ist wiederum die
entwicklungsmäßige Fortsetzung aus der schlichten,
herzlichen Arbeit für den materiellen Gebrauch.
Daher kommt es auch, daß unser gesamter Dunst-
zustand erst wieder zu gesunden begann, als Dünstler

Aunst und hundmerk. 56. Iahrg. Heft 8.

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