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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Schmidkunz, Hans: Praktische Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0250

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Praktische Möbel.

auf denen so häufig die 2TTöbeI stehen. Nicht unter
20 bis 26 cm hoch sollen die Möbelbeine sein, wenn
das Möbel nicht gleich ganz massiv aufsteht; welcher
Hall uns doch auch nicht so leicht hinzunehmen
scheint, wie es in jener Vorlage geschieht.

An die Erkenntnis, daß der Tisch, also auch
der Schreibtisch, und der Stuhl zusammen eine Ein-
heit bilden, schließt der Verfasser noch einige Rat-
schläge zur Aonstruktion solcher Stühle an. Dabei
zeigte er eine starke Abneigung gegen Stühle, die zu
weit nach hinten ausladen, und beruft sich darauf,
daß die Entwicklung des Sitzmöbels seit den ältesten
Zeiten immer nur die gerade Aonstruktion zeige,
„von der Gotik bis zum Biedermeier. Alles andere
ist Entartung." bjier müssen wir doch vor allem
gegen das Mißverständnis austreten, als bedeute die
Gotik die „ältesten Zeiten". Längst vor ihr gab es
ein Griechentum und in diesem geschweifte Stühle
von anerkannter Schönheit. Immerhin bleibt von
der Aritik des Verfassers ein gut Stück übrig; und
namentlich die Warnung vor einem cherausgreifen
der Hinterbeine mit dem fußende über die Lotrechte

530. Taxeten-Lntwurf von Georg Tobler, München. (Grund
stablblau, Streifen und Stiele mattgrün, Früchte braunrot und
schwarz.)

von der Lehne rückwärts wird jeden erfreuen, der
schon einmal über solche Hinterbeine gestolpert ist.

Ein „kleines Einmaleins der Möbelformen"
nennt I. A. Lux den Grundinhalt seiner Ausfüh-
rungen. Er will dies nicht als Rezept, sondern als
Anregung und Mahnung betrachten. Auch das ist
ein berechtigter Protest gegen die allgemeine Neigung,
Vorbilder passiv statt aktiv zu benutzen. Es scheint
uns nun, daß all das, was voit den am Schaffen
Beteiligten an Produktivität oder wenigstens Aktivität,
Spontaneität gefordert wird, nicht bald durch etwas
so gut angeregt werden kann, wie eben durch Modelle
in den zwei von uns gemeinten Meisen, namentlich
in der zweitgenannten.

Manchen Menschen darf man heute mit keinen
Ornamenten mehr kommen. Mit solchen Orna-
menten an Stühlen, welche dem Ellbogen oder dem
^interkopfe Gelegenheit zur Anstößigkeit geben, darf
man allerdings niemandem kommen. Allein wenn
wir uns in die guten Zeiten der Schnitzkunst an
Möbeln zurückdenken, so werden wir doch fühlen,
daß eine solche Ornamentik nicht bloß geduldet werden
darf. Gerade der Stuhl ist ein chauptbeispiel für
eine reiche Aonstruktion aus Tragendem und Ge-
tragenem; diese zwei verlangen oder vertragen wenig-
stens vermittelnde Übergänge, und diese vermittelnden
Übergänge sind ein ganz besonders fruchtbarer Boden
für eine wahrhaftige Ornamentik, was jedem durch
- die Erinnerung an Aapitälformen klar werden kann.

55 p Tapeten-Lntwurf von Georg Tobler, München.
(Grund stumpfblan, Stengel und Blätter okergelb, Blumen
rot mit dunkelblauen Staubgefäßen.)

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