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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Pudor, Heinrich: Hausgestühl und Heimkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0039

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tfausgestühl u»d tfeimkultur.

—42. Gitter in der Zentralhalle. Nach Entwürfen von German
Bestelmeyer ausgeführt von A. Birner. (Vz» d. w. Größe.)

handelt es sich doch auch bei der Maschine
um ein Werkzeug, nur um ein vervoll-
kontinnetes Werkzeug. Wie jedes Werk-
zeug ist auch die Maschine eine gleichsam
verlängerte Hand, sie ist gewissermaßen die
Siebenmeilenhand des Menschen. Und
der Weg vom Steinwerkzeug bis zur Hobel-
bank ist noch viel weiter als der von der
Hobelbank bis zur Fräsmaschine. Aber
wie Hobel und Hobelbank ist auch die
Fräsmaschine nur ein verbessertes Werk-
zeug. Und deshalb wird auch die Zeit
des Maschinennröbels a posteriori Stil
haben können, wenn wir uns nur be-
streben, auch das Maschinenmöbel als
Hausgestühl zu schaffen und anzusehen.
„Der Unterschied zwischen bester und weniger
guter Ware ist also gar nicht der von
Maschine und Handwerk, sondern er liegt
darin, wieviel Menschengeist außer der
Maschinenarbeit in das einzelne Stück
hineingelegt wird." Wenn wir freilich den
Charakter der Gotik in das Maschinen-
möbel legen, kann nur ein Zerrbild, eine
Karikatur entstehen. Nein, sicherlich muß
gerade der Geist der Maschinenarbeit im
besten Sinne die Grundlage des Charak-
ters des Maschinenmöbels bilden, — im
übrigen aber kann sich im Maschinen-
möbel die Cnergiefülle, die Zntellektualität,
die Unabhängigkeit und Mündigkeit unseres
Zeitalters ebenso aussprechen wie die natur-
wissenschaftliche Aufklärung, die Hygiene
desselben und vieles, vieles andere.

Cs ist ja wahr, Hausgestühl klingt
etwas altmodisch. Aber es kommt hier
darauf an, zu erkennen, daß unsere Zeit
trotz Maschine und Clektromotor nicht not-
wendig des Charakters und der Seele ver-
lustig zu gehen braucht. Zm Gegenteil:
niemals hat der Mensch dringender eine
wirkliche Kultur, eine innere Kultur, eine
seelische und Gemütskultur gebraucht als
heute, in dem Zeitalter der Technik. Auch
unser Gemüt will Nahrung haben. Die
reine Technik kann es nicht nähren, und
Zeppelin kann unser Gemüt nicht befruch-
ten. Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein, und er lebt auch nicht von der Tech-
nik allein. Deshalb bemerken wir gerade
in unserem wesentlich technische Werte pro-
duzierenden Zeitalter eine tiefe Sehnsucht
nach neuen ethischen Werten. Wir dürsten
 
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