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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Lory, Karl: Monismus der Kunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0060

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Monismus der Kunst?

öie auf Wiedergewinnung eines gesunden Fresken-
stils ausgingen, der Architektur entgegenkamen, „Sach-
kunst" in unserem Sinne des Wortes schufen, so
lohnt es ihnen nun die Architektur damit, daß sie
^ie Walerei völlig in die Rolle einer Dienerin herab-
örücken will. Doch unternimmt sie diesen Versuch
nicht der Walerei (und Plastik) allein gegenüber; auf
scheinbar ganz fernliegenden Gebieten macht sie
Herrschaftsrcchte gellend, z. B. auf der Bühne. Es
begt nahe, hier an die vielzitierte „Reliefbühne" zu
denken; konsequenter und lehrreicher aus diesem
Grunde ist der Versuch, den Peter Behrens diesen
Sommer durch Vermittlung von K. <£. Osthaus,
bem Begründer des Folkwang-Wuseums in kjagen
Westfalen, machen konnte. Wir werden darauf
noch zurückkommen müssen. Auch läßt sich nicht
leugnen, daß die Architektur von verschiedenen Seiten
geradezu aufgemuntert wurde, ihre Grenzen zu er-
weitern. Die gewichtigste dieser aufmunternden
Stimmen war, bzw.ist wohl die vonH. Wuthesius,
öeffen Vortrag über „Die Einheit der Architektur")
wenigstens zum Teil im Sinne eines künstlerischen
Wonismus, wie Bartning und Tessenow ihn ver-
standen wissen wollen, aufgefaßt werden kann. Denn
ausdrücklich spricht er von einer Zeit, da die „Bau-
kunst wieder zur Beherrscherin der Aunst"
geworden, spricht gleich Tessenow von einer Aultur
neuer Art, auf der die Hoffnung auf eine neue
Architektur beruhe. Za, die moderne Aunstphilosophie
scheint ihrerseits die universalen Perrscheransprüche
öer Architektur unterstützen zu wollen; letztere könnte
stch wenigstens auf die von Schmarsow 2) ent-
wickelte Lehre von den „Aomplementärkünsten"
berufen, eine Lehre, die darin gipfelt, daß, von
Epoche zu Epoche wechselnd, andere Zweige mensch-
licher Aunsttätigkeit die (Oberhand haben und sozu-
sagen die übrigen beherrschen, Zweige, die sich
wechselseitig ergänzen: im Altertum Wimik und
Plastik, im Wittelalter Poesie und Architektur, in
der Neuzeit Wusik und Walerei. Für die Zukunft
müßten wir dementsprechend, wenn es nach den
Absichten von Wuthesius, Bartning, Tessenow usw.
gehen sollte, abermals die Vorherrschaft der Archi-
tektur und einer ihr entsprechenden Aomplementär-
kunst erwarten.

Aber wenn schon Schmarsow eine ganze Reihe
innerer Gründe für die Bedingtheit dieses Wechsels
anzugeben vermag, der im gesamten Sein der mensch-
lichen Natur seine Analoga finde, Gründe, deren

') Gehalten int „verein für Kunst" zu Berlin, gedruckt
als q. Heft der „Berliner Vorträge" bei K. Lurtius.

s) A. Schmarsow, Grundbegriffe der Kunstwissenschaft,
^^ipzig 1905, bei Teubner. S. 3^8 f.

77. Kriegerdenkmal in Neuburg a. d. Kamme!:
von Jak. Hoffman», München.

Triftigkeit nicht in Diskussion gezogen werden kann,
wie Erschöpfung und Abnutzung der jeweiligen
Wittel, gesteigerte Ausbildung und dadurch bedingte
Ermüdung bestimmter (Organe: wichtiger als alle
Theorie ist doch die Praxis, beweiskräftiger als alle
Philosophie erscheint uns die Wirklichkeit; an ihr
wollen wir zunächst einmal die Aussichten eines
künstlerischen Wonismus auf Grundlage einer Uni-
versalherrschaft der Architektur prüfen.

Welches sind z. B. die praktischen Ergebnisse
der Bühnenreformversuche von Behrens? Hören
wir das Urteil eines Fachmannes *)! Es ist, kurz
gesagt, ein völlig abweisendes. Und warum? Weil
diese tektonischen Reformversuche geradezu zun: Ver-
lust des Besten, des Eigentlichen an der
dramatischen Aunst führen würden. Es heiße blind
fein für alles das, worauf es im Theater schließlich
ankomme, wenn man in den feinsten Leistungen
moderner Schauspielkunst nur die werte bewegungs-
rhythmischer Formenschönheit sehen wolle. „Zst man
wirklich so kindlich, zu wähnen, daß es für ein
Drama Zbfens irgendwie von Belang sei, ob man

') Theodor Lessings in Br. 32/33 von Jahrg. V der
„Schaubühne", S. ^5 ff.

Kunft und Handwerk. 60. Jahrg. Heft 2.

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